Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde. Rechtsschutzbedürfnis. einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für ausländische Unionsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Europarechtskonformität

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht für den Leistungsträger, zu dessen Lasten eine einstweilige Anordnung ergangen ist, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde.

2. Im Eilverfahren muss der Wortlaut eines Gesetzes vom Gericht beachtet werden, auch wenn Zweifel in Literatur und Rechtsprechung an der europarechtlichen Konformität einer Vorschrift geäußert werden.

3. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 begegnet keinen durchgreifenden europarechtlichen Bedenken.

4. Allein durch Zeitablauf fällt das Tatbestandsmerkmal Einreise allein zum Zweck der Arbeitssuche nicht weg (entgegen LSG Essen vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13).

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 2 Nr. 2; FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 1; SGG § 86b Abs. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. August 2013 abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insgesamt abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Antragsteller, der im Oktober 1990 geboren wurde und G. Staatsangehöriger ist, laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren sind bzw. waren.

Bei einer Vorsprache bei Mitarbeitern der Stadt H. hat der Antragsteller am 10. Juli 2013 geltend gemacht, nicht über eine Wohnung zu verfügen. Allerdings sei er bereits am 2. Mai 2013 in die Bundesrepublik eingereist, um hier zu arbeiten. Dazu hat er behauptet, mündlich sei ihm von einem Landsmann ein Arbeitsvertrag mit einem im Bundesgebiet tätigen Arbeitgeber mit dem Namen I. in Aussicht gestellt worden. Zunächst hätten er und sein Freund, der mit ihm eingereist sei, auf einem Campingplatz in der Nähe von J. in einer Gemeinschaftsunterkunft gewohnt. Eine polizeiliche Anmeldung sei nicht erfolgt. Tatsächlich sei es auch nicht zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages gekommen; auch sei er seines Wissens nicht bei den Renten- oder Sozialversicherungsträgern von dem vermeintlichen Arbeitgeber als Arbeitnehmer angemeldet worden. Er habe aber auf mündliche Weisung verschiedene Tätigkeiten seitdem in Deutschland ausgeübt; so habe er unter anderem auf dem Bau, in Bäckereien und beim Möbeltransport gearbeitet. Dass er sich nun melde beruhe darauf, dass er von dem vermeintlichen Arbeitgeber kein Geld erhalten habe und von dem Betreiber des Campingplatzes in der Nähe von J. am 8. Juli 2013 des Platzes verwiesen worden sei, weil auch für die Unterkunft dort vom vermeintlichen Arbeitgeber keine Kosten der Unterkunft - wie zuvor von ihm angeblich versprochen - übernommen worden seien. Wegen dieses ganzen Vorgangs habe er auch eine Strafanzeige bei der örtlichen Polizei gestellt. Daraufhin wurde der Antragsteller mit Bescheid der Stadt H. vom 11. Juli 2013 in einen Raum der Obdachlosenunterkunft eingewiesen und ihm wurden mit Bescheid der Stadt H. vom 11. Juli 2013 Leistungen für die Zeit vom 10. bis zum 23. Juli 2013 in Höhe von 208,46 € gewährt, als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Dagegen legte der Antragsteller sinngemäß mit Schreiben vom 15. Juli 2013 mit der Begründung Widerspruch ein, dass er Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II, nicht aber nach dem SGB XII habe; er habe sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden wollen, sei von dort aber an das Jobcenter des Antragsgegners verwiesen worden, wo er sich aber wegen der ablehnenden Haltung des Antragsgegners im Bescheid der Stadt H. vom 11. Juli 2013 nicht gemeldet habe. Die Versagung von Leistungen nach dem SGB II sei europarechtswidrig. Über den Widerspruch wurde - soweit er sichtlich - bislang noch nicht entschieden.

Am 23. Juli 2013 hat sich der Antragsteller an das Sozialgericht (SG) Oldenburg mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt und geltend gemacht, dass er bereits in Deutschland gearbeitet habe und seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren habe, so dass er über eine hinreichende Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt verfüge. Deswegen dürfe ihm unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Leistungsausschluss im SGB II für lediglich arbeitssuchende, aber freizügigkeitsberechtigte Bürger der Europäischen Union nicht entgegen gehalten werden.

Mit Beschluss vom 13. August 2013 hat das SG Oldenburg sinngemäß dem Antrag teilweise stattgegeben. Für die Zeit vom 10. bis zum 23. Juli 2013 hat es den Antrag sinngemäß abgelehnt, weil Leistungen für die Vergangenheit nicht zugesprochen werden könnten. Ab der Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes sei jedoch ein Anordnungsanspruch zugunsten des Antragstellers gegeben, da er bereits seit dem 3. Mai 2013 in Deutschland für einen Unternehmer gearbeitet habe. Er sei auch nicht zum Zweck ...

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