Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Steuererstattung. einmalige Einnahme. Aufteilung auf 12 Monate

 

Orientierungssatz

Eine Steuererstattung ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, welches als einmalige Einnahme gem § 2 Abs 3 S 1 AlgIIV aF im Zuflussmonat und den Folgemonaten (hier: 12 Monate) zu berücksichtigen ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung einer Steuererstattung als Einkommen bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der Beklagte gewährt der am 16. September 1953 geborenen Klägerin, die zuvor Arbeitslosengeld I bezogen hatte, seit März 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Bei einer Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen stellte der Beklagte fest, dass der Klägerin am 21. Juni 2005 eine Steuererstattung des Finanzamtes W (betr. Einkommenssteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004) in Höhe von 1.317,91 € auf ihrem Girokonto bei der Volksbank W gutgeschrieben worden war. Der Beklagte hob daraufhin seinen Leistungsbescheid vom 22. Februar 2005, der den Zeitraum vom 1. März 2005 bis 31. August 2005 regelte, mit Bescheid vom 14. Juli 2005 dahingehend auf, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat August 2005 unter Anrechnung einer (anteiligen) Steuererstattung von 109,82 € auf nunmehr 250,40 € festgesetzt wurde. Mit einem Anhörungsschreiben vom selben Tage teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei der Steuererstattung in Höhe von 1.317,91 € um Einkommen nach § 11 SGB II handele und die Steuererstattung im Zuflussmonat sowie in den darauf folgenden elf Monaten als Einkommen anzurechnen sei. Es sei beabsichtigt, für Juni und Juli 2005 unter Anrechnung der (anteiligen) Steuererstattung zu Unrecht erbrachte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zurückzufordern. Ebenfalls unter dem 14. Juli 2005 erging ein weiterer Bescheid des Beklagten mit dem dieser die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an die Klägerin für den Folgezeitraum vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2006 regelte, wobei wiederum die (anteilige) Steuererstattung in Höhe von monatlich 109,82 € als Einkommen bei der Bedarfsberechnung in Ansatz gebracht wurde.

Mit Schreiben vom 19. Juli 2005 legte die Klägerin "gegen den Bescheid Gewährung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, vom 14. Juli 2005" mit der Begründung, dass bei der Berechnung das Schonvermögen in Höhe von 5.000,00 € nicht berücksichtigt worden sei und ihr aktuelles Guthaben derzeit nur 457,28 € betrage, "Einspruch" ein. Der Beklagte wertete das Schreiben vom 19. Juli 2005 als Widerspruch, den er mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2006 zurückwies. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Steuererstattung um Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 SGB II handele, das bezogen auf 12 Monate ab dem Monat Juni 2005 in Höhe von jeweils 109,82 € bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen sei.

Mit weiterem Folgebescheid vom 25. Januar 2006 gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum ab März 2006 bis einschließlich August 2006, wobei er mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2006 festlegte, dass die Einkommensanrechnung aus der Steuererstattung ab Juni 2006 nicht mehr vorgenommen werde.

Mit Bescheid vom 30. März 2006 forderte der Beklagte von der Klägerin aufgrund der zugeflossenen Steuererstattung für die Monate Juni und Juli 2005 überzahlte Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 219,64 € zurück. Der hiergegen von der Klägerin am 6. April 2006 eingelegte Widerspruch ist bislang nicht beschieden.

Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. März 2006 am 5. April 2006 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg mit der Begründung Klage erhoben, dass es sich bei der ihr zugeflossenen Steuererstattung um geschütztes Vermögen handele. Die Steuererstattung resultiere daraus, dass sie im Jahre 2004, als sie noch erwerbstätig gewesen sei, zu viel Steuern gezahlt habe. Hätte das Finanzamt ihre Einkommenssteuererklärung zügiger bearbeitet, so hätte sie die Steuererstattung für 2004 noch vor Beginn des Leistungsbezuges nach dem SGB II erhalten. Die von ihr nicht beeinflussbare Bearbeitungszeit des Finanzamtes dürfe nicht dazu führen, dass sie dadurch finanziell schlechter gestellt werde. Eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Auszahlung bei der Frage, ob es sich bei der Steuererstattung um Einkommen oder Vermögen handele, sei auch mit Art. 3 Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, weshalb die Steuererstattung vorliegend anteilig auf 12 Monate verteilt worden sei. Selbst wenn es sich b...

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