Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Bilanzbuchhalter. Tätigkeit im Auftrag einer Steuerberaterpartnerschaft unter deren Fachaufsicht und in Eingliederung in deren arbeitsteilig organisierten Betriebsablauf. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Bilanzbuchhalter, der im Auftrag einer Steuerberaterpartnerschaft unter deren Fachaufsicht und in Eingliederung in deren arbeitsteilig organisierten Betriebsablauf schwerpunktmäßig im Homeoffice tätig wird, übt bei Fehlen relevanter unternehmerischer Chancen und Risiken auch dann eine abhängige Beschäftigung aus, wenn ihm große Freiheiten bei der Ausgestaltung seiner Arbeitszeiten eingeräumt werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. Mai 2023 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Mai 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2019.
Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte auf der Grundlage einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung die in der Rechtsform einer Partnerschaft geführte sich inzwischen in Liquidation befindliche Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung und Umlagen für die Heranziehung des beigeladenen Finanzbuchhalters im Prüfzeitraum 2014 bis 2017 in einer Gesamthöhe von 46.581,60 € herangezogen.
Die von den Steuerberatern N. und C. gebildete Partnerschaft zog den beigeladenen gelernten Steuerfachwirt (soweit im Folgenden ohne nähere Erläuterung auf den Beigeladenen hingewiesen wird, ist jeweils der zu 1. beigeladene Finanzbuchhalter gemeint) seit April 2010 zu Aufgaben im Bereich der Finanzbuchhaltung heran.
Neben der Tätigkeit für die Klägerin ist der Beigeladene, der bereits seit 2001 über eigene Geschäftsräume verfügt, weiterhin auch auf eigene Rechnung als selbständiger Finanzbuchhalter für diverse Auftraggeber tätig. Des Weiteren verrichtet er seit 2001 fortlaufend auch im Rahmen einer (geringfügigen) abhängigen Beschäftigung Buchhaltungsaufgaben.
Die Heranziehung des Beigeladenen durch die Klägerin erfolgte zunächst im Rahmen mündlicher Absprachen. Nach Einleitung der Betriebsprüfung schlossen die Klägerin und der Beigeladene am 14. Juni 2018 einen „Dienstleistungsvertrag“ (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten Bl. 32 ff. VV), welcher die bereits zuvor mündlich getroffenen und praktizierten Absprachen schriftlich festhielt.
Nach diesem Vertrag umfasst das Aufgabengebiet des Beigeladenen insbesondere die Vorbereitung von steuerlichen Jahresabschlüssen, die Mitwirkung bei der Erstellung von Steuererklärungen von Mandaten und Tätigkeiten im Bereich der laufenden Finanzbuchhaltung.
Die Ausführung dieser Tätigkeit durch den Beigeladenen erfolgt nach § 1 Abs. 3 des Vertrages unter der ausschließlichen beruflichen Verantwortung der Klägerin. Hinsichtlich der fachlichen Ausführung der einzelnen Aufträge unterliegt der Beigeladene „den Weisungen und beruflichen Aufsicht“ der Klägerin (so ausdrücklich § 1 Abs. 4 Satz 3 der Vereinbarung); im Übrigen waren keine Weisungen der Klägerin vorgesehen. Der Beigeladene war zur Ablehnung von Aufträgen der Klägerin berechtigt (§ 1 Abs. 6). Auch durfte er „eigene Mitarbeiter“ zur „Erfüllung der übernommenen vertraglichen Verpflichtungen“ einsetzen (§ 1 Abs. 8).
Der Beigeladene war nach § 1 Abs. 9 „grundsätzlich“ verpflichtet, „sämtliche Arbeitsergebnisse“ mit der Klägerin „abzusprechen“ und „deren Vorgaben und Entscheidungen“ zu beachten. Im direkten Kontakt mit den Mandanten hatte er „ggfs. auf die ausschließliche Verantwortung der Berufsträger hinzuweisen“ (§ 1 Abs. 9 Satz 2); er hatte „alles zu unterlassen, was ggfs. als ein eigenverantwortliches Auftreten im eigenen Namen von Dritten zu bewerten wäre“ (§ 8 Abs. 3). Die „Verantwortlichkeit“ bei „Schriftwechseln mit Behörden u.ä.“ lag nach § 2 Abs. 3 Satz 3 bei der Klägerin.
Alle geschäftlichen Unterlagen einschließlich Abschriften und Kopien in Papier- oder Dateiform sollten im Eigentum der Klägerin stehen (§ 6 Abs. 2) und waren bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Beigeladenen an die Klägerin herauszugeben (§ 6 Abs. 3).
„Nach Außen hin“ sollte den Beigeladenen gemäß § 8 Abs. 4 „keine Haftung“ treffen. Er sollte vielmehr lediglich zur „Nachbesserung und Korrektur“ verpflichtet werden.
Als Gegenleistung erhielt der Beigeladene bei Tätigkeiten im Bereich der Finanzbuchhaltung 60 % und in den Bereichen Jahresabschlüsse und Steuererklärungen jeweils 50 % der von Seiten der Klägerin dem jeweiligen Mandanten für die entsprechenden Leistungen in Rechnung gestellten Nettobeträge, also von den in Rechnung gestellten Beträgen ohne Umsatzsteuer. Zusätzlich erbrachte die K...