Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld Plus. Anrechnung von Krankengeld im Bezugszeitraum. Ermittlung des Durchschnittseinkommens. ausschließliche Berücksichtigung der positiven Einkünfte aus Monaten mit positiven Einkünften. kein vertikaler Verlustausgleich zwischen Einkommen aus selbstständiger Teilzeittätigkeit und unselbstständiger Teilzeittätigkeit. Verfassungsmäßigkeit. weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Vermeidung von Doppelleistungen. keine Gewähr auf höhere Elterngeldleistungen durch Elterngeld Plus. Erkrankung als Risiko des Elterngeldbeziehers
Leitsatz (amtlich)
Auch während des Bezuges von Elterngeld Plus beurteilt sich die Anrechenbarkeit von Krankengeldleistungen nach den Vorgaben des § 3 Abs 1 S 1 Nr 5 BEEG.
Orientierungssatz
1. Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG wird durch die Anwendung der Anrechnungsregelung des § 3 Abs 1 S 1 Nr 5 BEEG auf Krankengeld für ausgefallenes nachgeburtliches Einkommen nicht verletzt, zumal es auch Konstellationen gibt, in denen sich die Berechnungsregelungen für den erkrankten Elterngeldberechtigten positiv auswirken.
2. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Elterngelds Plus den Eltern nur eine Option auf höhere Gesamtleistungen eröffnet, er übernimmt aber keine Gewähr dafür, dass der einzelne Berechtigte tatsächlich im jeweiligen Einzelfall auch über eine effektive Möglichkeit zur Erzielung eines solchen Erwerbseinkommens verfügt.
3. Monate mit negativem oder ohne Erwerbseinkommen sind weder beim Basis-Elterngeld noch beim Elterngeld-Plus im Rahmen der Ermittlung des Durchschnittseinkommens nach § 2 Abs 3 BEEG in Ansatz zu bringen.
4. Auch bei der Durchschnittsberechnung darf es keine unstatthafte Saldierung von positiven Einkünften aus nichtselbstständiger (Teilzeit-)Arbeit und negativen Einkünften aus selbstständiger (Teilzeit-)Arbeit geben (sog vertikaler Verlustausgleich; vgl BSG vom 12.7.2018 - B 10 EG 16/17 B = HFR 2019, 53).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. Mai 2019 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung dagegen, dass er erstinstanzlich zur Gewährung höheren Elterngeldes an die Klägerin für die Betreuung ihres am 8. Juli 2015 geborenen Kindes I. verpflichtet worden ist.
Vor der Geburt ihres Kindes bezog die Klägerin sowohl Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung als auch Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin (vgl. auch Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014, Bl. 132 der Verwaltungsvorgänge - VV - ).
Im Jahr 2014 erzielte die Klägerin ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von monatlich 4.548,97 € (nach Abzug von monatlich 83,33 € pauschalierte Werbungskosten bezogen auf das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit). Davon entfielen im Monatsdurchschnitt 19,50 € Einkommen auf die selbständige Arbeit, den Restbetrag erzielte die Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. wegen der Einzelheiten die Berechnungen auf Bl. 123 ff., 168 ff. VV).
Nach Abzug von Steuern in Höhe von 1.027,39 € gemäß § 2e BEEG und Sozialabgaben in Höhe von 972,79 € gemäß § 2f BEEG (vgl. im Einzelnen Bl. 125, 170 VV), verblieb ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von 2.548,79 €. Ausgehend von dem sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG für Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt von mehr als 1.200 Euro ergebenden Bemessungssatz von 65 % entspricht dies entsprechend den zutreffenden Berechnungen des Beklagten einem Elterngeldbetrag von monatlich 1.656,71 € für Monate des Bezuges des sog. Basiselterngeldes (ohne Erwerbseinkommen und ohne anderweitig anzurechnende Sozialleistung im jeweiligen Bezugsmonat).
Bis zum 22. Oktober 2015 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld einschließlich ergänzender Leistungen des Arbeitgebers.
Dem Grunde nach antragsgemäß bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2015 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 29. Dezember 2015 vorläufig Basiselterngeld für die ersten vier Lebensmonate und sog. Elterngeld plus für den 5. bis 12. Lebensmonat des Kindes.
Dabei ergab sich im Hinblick auf die anzurechnenden zunächst bezogenen Mutterschaftsleistungen für die ersten drei Lebensmonate kein Zahlbetrag für das Elterngeld und für den vierten Lebensmonat lediglich ein auszuzahlender Betrag von 855,37 €. Für den 5. bis 12. Lebensmonat des Kindes ermittelte die Beklagte einen vorläufigen Zahlbetrag von monatlich 634,45 €. Dabei ging der Beklagte zunächst davon aus, dass die Klägerin in diesen acht Monaten eine Teilzeittätigkeit im Umfang von wöchentlich knapp 24 Arbeitsstunden (entsprechend 60 % einer Vollzeitstelle) mit einem Monatseinkommen in Höhe von 2.555,59 € ausüben werde.
Bedingt durch eine Erkrankung bezog die Klägerin ab dem 7. April 2016 bis jedenfalls zum Ablauf des 12. Lebensmonats ihres Kindes jedoch nicht dieses Erwerbseinkommen aus der vorgesehenen Teilzeitbes...