Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärzte. Wiederzulassung zur Teilnahme an der vertragzahnärztlichen Tätigkeit. Eingreifen der Wiederzulassungssperre nach einer Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB 5. Verfassungsmäßigkeit. Sicherstellungsauftrag. Kollektiver Zulassungsverzicht. Klagebefugnis. Drittschützende Wirkung. Klagefrist
Leitsatz (amtlich)
(Zahn)ärzten, denen vorgeworfen wird, ihre Zulassung in einem mit anderen (Zahn)ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren zurück gegeben zu haben, können die hierauf ergangene Entscheidung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB 5 nicht mit Erfolg anfechten. An einem entsprechenden subjektiven Recht fehlt es auch dann, wenn die Entscheidung nach § 72a Abs 1 SGB 5 dazu führt, dass eine 6-jährige Wiederzulassungssperre eingreift.
Orientierungssatz
§ 95b Abs 2 SGB 5 ist mit dem GG vereinbar.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; SGB V § 72a Abs. 1, 3, § 95b Abs. 2-3; SGG § 54 Abs. 1, § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 87 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 € fest-
gesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die aufsichtsbehördliche Feststellung, dass die vertragszahnärztliche Versorgung im Landkreis F. nicht mehr sichergestellt sei.
Die Klägerin ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und war seit Dezember 1994 zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit mit Praxissitz in G. (Landkreis H.) zugelassen. Mit Schreiben vom 20. März 2004 teilte sie dem Zulassungsausschuss mit, sie gebe zum 30. Juni 2004 ihre Kassenzulassung zurück. Dies sei die Quintessenz umfangreicher, zum Teil auch langjähriger betriebswirtschaftlicher, fachlich-berufsethischer und persönlicher Überlegungen. Sie betrachte die Entwicklungen im Gesundheitswesen, insbesondere die neuen Gesetzesänderungen, mit größter Sorge. Der Zulassungsausschuss Niedersachsen für die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit stellte mit Beschluss vom 28. April 2004 fest, dass ihre Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit mit dem 30. Juni 2004 ende.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2004 stellte der Beklagte durch sein Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (im Folgenden: Sozialministerium) fest, dass in den drei niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis I., Landkreis J. und Landkreis F. insgesamt 23 und damit jeweils mehr als 50 v.H. aller dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum 30. Juni 2004 nach § 95 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab 01. Juli 2004 nicht mehr sichergestellt sei. Die Annahme eines aufeinander abgestimmten Verhaltens ergebe sich aus dem zeitlichen und inhaltsgleichen Zusammentreffen der Zulassungsverzichte sowie der zahlreichen gemeinsamen von den Kieferorthopäden und den zahnärztlichen und fachzahnärztlichen Berufsvertretungen öffentlichkeitswirksam erkennbar gewordenen Erklärungen und Meinungsäußerungen. Im Landkreis F. hätten 8 von 11 Vertragszahnärzten auf ihre Zulassung verzichtet, darunter die Klägerin. Der Bescheid war an die zu 1. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) sowie an die zu 2. bis 8. beigeladenen Krankenkassen- bzw. Kassenverbände gerichtet. Die Beigeladene zu 1. erhob hiergegen zunächst Klage, nahm diese jedoch im November 2004 zurück.
Am 29. Oktober 2004 hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Ihren bereits am 17. August 2004 gestellten Antrag, sie erneut als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie K. zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zuzulassen, ist von den Zulassungsgremien abgelehnt worden (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22. September 2004, des Berufungsausschusses vom 08. Dezember 2004). Die hiergegen gerichtete Klage ist erstinstanzlich erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 21. Juni 2006); hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 3 KA 139/06), die der Senat mit Urteil vom heutigen Tag zurück gewiesen hat.
Zur Begründung der vorliegenden Klage hat die Klägerin ausgeführt, sie sei befugt, den Bescheid des Sozialministeriums anzufechten. Dieser habe Tatbestandswirkung in der Weise, dass er die negative Voraussetzung des § 95 b Abs. 2 SGB V (sechsjährige Wiederzulassungssperre) für ihren Anspruch auf Wiederzulassung als Vertragszahnärztin vorgebe. Denn die in dem Bescheid getroffene Feststellung, dass auch die Klägerin eine Pflichtverletzung nach § 95 b Abs. 1 SGB V begangen habe, führe ohne weiteren Umsetzungsakt z...