Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ermächtigung eines sozialpädiatrischen Zentrums. Gewähr für eine wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bei der nicht-wirtschaftlichen Weiterführung eines bereits ermächtigten Zentrums. Bedarf in dünn besiedelten Regionen. Erreichbarkeit innerhalb einer Stunde
Leitsatz (amtlich)
1. Ein sozialpädiatrisches Zentrum, das seine Ermächtigung nach § 119 SGB 5 beantragt hat, bietet nicht die Gewähr für eine wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung, wenn die Ermächtigung dazu führen würde, dass ein bereits ermächtigtes Zentrum nicht wirtschaftlich weitergeführt werden könnte.
2. Von der Zielvorstellung einer Erreichbarkeit des Zentrums innerhalb einer Stunde kann gegebenenfalls in dünn besiedelten Regionen zu Lasten der Versicherten abzuweichen sein.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 40.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ermächtigung eines sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) gemäß § 119 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Bis 2001 bestand im westlichen Niedersachsen (früherer Regierungsbezirk F.) nur ein SPZ in G.. Im Juni 2001 wurde dem L.Stift in H. eine Ermächtigung nach § 119 SGB V erteilt; das dortige SPZ nahm seine Arbeit im Oktober 2002 auf. Im November 2001 erteilte der Zulassungsausschuss I. dem Marienkrankenhaus in J. eine entsprechende Ermächtigung. Das dortige SPZ ist seit Mai 2002 tätig, zunächst mit einem Behandlerteam.
Die Klägerin betreibt in A. - ca. 20 km nördlich von J. - das Kreiskrankenhaus A.. Dieses beantragte mit Schreiben vom 18. Januar 2002 ebenfalls die Ermächtigung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern. Zur Begründung wies es auf den großen Bedarf entsprechender Behandlungen im gesamten ostfriesischen Raum hin. An seiner Abteilung für Kinderheilkunde und Jugendmedizin bestehe eine Ermächtigungsambulanz des leitenden Arztes Dr. Finke mit Schwerpunkt Neuropädiatrie; es sei zunehmend deutlich geworden, dass zusätzlich zur kinderneurologischen Behandlung auch eine sozialpädiatrische Behandlung erforderlich sei.
Der Zulassungsausschuss Aurich für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit erteilte dem (einzurichtenden) SPZ des Kreiskrankenhauses A. mit Beschluss vom 22. Mai 2002 eine Ermächtigung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern auf Überweisung von Vertragsärzten für Kinderheilkunde für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2004.
Gegen den am 26. Juni 2002 abgesandten Beschluss legten am 24. Juli 2002 die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ) empfehle ein SPZ für ein Versorgungsgebiet von 1 Million Einwohnern. Das Einzugsgebiet des geplanten SPZ in A. decke jedoch ein Einzugsgebiet von insgesamt nur ca. 460.000 Einwohnern ab. Außerdem sei bereits in J. die Zulassung für ein SPZ erteilt worden und es bestehe ein SPZ in G., das den Bereich K. und L. versorge. Deshalb bestehe objektiv kein Bedarf für die Errichtung eines weiteren SPZ.
Mit Beschluss vom 11. Februar 2004 hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses auf und lehnte den Antrag des Kreiskrankenhauses A. ab. Aus § 119 SGB V sei abzuleiten, dass es sich bei SPZen um Zentren handeln müsse, die auf großräumige Versorgungsgebiete ausgerichtet seien. Gegen die Notwendigkeit eines zusätzlichen SPZ in A. spreche entscheidend, dass 20 Kilometer von diesem Standort bereits ein SPZ ermächtigt worden sei. Es erscheine richtig, zunächst diesem SPZ die Möglichkeit zu geben, im Rahmen seiner Ermächtigung das gesamte in Betracht kommende Versorgungsgebiet abzudecken. Solange dies nicht geschehen sei, könne im Zulassungsverfahren nicht die Notwendigkeit einer weiteren Ermächtigung festgestellt werden.
Gegen den am 28. Juni 2004 zur Post gegebenen Beschluss hat der Landkreis A. (als Rechtsvorgänger der Klägerin) am 28. Juli 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben.
Mit Schreiben vom 17. August 2004 stellte das Kreiskrankenhaus A. erneut einen Ermächtigungsantrag. Dabei wies es u.a. darauf hin, dass das Einzugsgebiet eines SPZ A. sich auf die Landkreise A., I., M. und die Stadt N. sowie auf Teilbereiche der Landkreise O., P. und Q. mit einer Gesamtbevölkerung von ca. 623.000 Einwohner erstrecken werde. In diesem Versorgungsgebiet weise nur das beantragte SPZ in Leer eine akzeptable Erreichbarkeit innerhalb von maximal 1 Stunde auf.
Der Zulassungsausschuss erteilte dem Krankenhaus daraufhin mit Beschluss vom 9. Februar 2005 erneut die beantragte Ermächtigung - vom 1. April 2005 bis zum 31. März 2007 - und wies auf die Nähe R. zu den S. Planungsbereichen hin....