Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. wichtiger Grund. Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft. erstmaliger Bezug einer gemeinsamen Wohnung. Ruhenszeitraum
Leitsatz (amtlich)
1. Ein wichtiger Grund zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zwecks Umzuges zum Lebensgefährten kann sperrzeitrechtlich auch bei der erstmaligen Begründung eines gemeinsamen Haushaltes vorliegen (aA BSG vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 52/06 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 16).
2. Ein Ruhenszeitraum infolge Sperrzeit steht einem Zahlungsanspruch auch dann entgegen, wenn die Agentur für Arbeit diese Sperrzeit mit bestandskräftigem Bescheid für einen späteren Zeitraum festgestellt hat.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin auch ihre außergerichtlichen Aufwendungen der zweiten Instanz.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ab 1. Dezember 2013 infolge des Zuzugs der Klägerin zu ihrem Lebensgefährten streitig.
Die 1955 geborene Klägerin war bis zum 30. November 2013 bei F. in G. (H.) als Verkäuferin mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden und einem Gehalt von zuletzt 900,78 € brutto monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis kündigte sie durch Schreiben vom 9. September 2013, um ab 1. Dezember 2013 mit ihrem Lebensgefährten (I.) im 175 km entfernten J. eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Zuvor hatte sie sich vergeblich auf diverse Stellenangebote als Teilzeitverkäuferin im Umkreis von J. beworben. Nach Angaben der Klägerin besteht die Beziehung zu ihrem berufstätigen Lebensgefährten seit dem Jahre 2011; seit Dezember 2012 sind sie verlobt. Bereits vor dem Bezug der gemeinsamen Wohnung verbrachten die Klägerin und ihr Verlobter stets ihre Freizeit zusammen, wirtschafteten beide aus einem Topf und umsorgten sich im Krankheitsfalle. Insbesondere kümmerte sich die Klägerin vor Ort in J. um ihren Lebensgefährten nach drei Operationen. Beiden fiel die Trennung nach den regelmäßigen gegenseitigen Besuchen emotional sehr schwer. Aus diesem Grunde entschied sich die Klägerin im September 2013 nach langer Planung dazu, mit ihrem Lebensgefährten eine gemeinsame Wohnung in J. zu beziehen. Sie meldete sich bei der Beklagten am 4. Oktober 2013 arbeitsuchend, nachdem sie von dieser Verpflichtung über die Kündigungsbestätigung des Arbeitgebers vom 23. September 2013 erfahren hatte, und später mit Wirkung vom 1. Dezember 2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Ab 11. Februar 2014 nahm sie eine neue Beschäftigung als Verkäuferin in Teilzeit unter Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber in Höhe von 50% durch die Beklagte auf.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 und Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 22. Februar 2014 fest, weil die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst habe, um an einem anderen Ort eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, die zuvor noch nicht bestanden habe. Zu einer anschließenden Auszahlung von Arbeitslosengeld kam es wegen der Arbeitsaufnahme ab 11. Februar 2014 nicht mehr.
Mit der am 3. Februar 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie bereits seit 2011 in einer Verantwortung- und Einstehensgemeinschaft mit ihrem Verlobten lebe. Es stelle einen wichtigen Grund dar, zur Fortsetzung dieser Lebensgemeinschaft eine Beschäftigung zu lösen und an einen anderen Ort umzuziehen. Die Beklagte hat erwidert, dass ein wichtiger Grund nicht anerkannt werden könne, weil die Klägerin keine nichteheliche Lebensgemeinschaft fortgesetzt, sondern erst durch ihren Umzug eine solche gegründet habe. Dies führe nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu einer Sperrzeit.
Das SG hat mit Urteil vom 17. März 2016 die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld für den Zeitraum 1. Dezember 2013 bis zum 10. Februar 2014 zu gewähren. In den Gründen hat es ausgeführt, dass das Bestehen des Verlöbnisses als ausreichend anzusehen sei, um einen wichtigen Grund für die Beschäftigungsaufgabe anzuerkennen. Als weiteres Kriterium eine baldige Eheschließung zu fördern, ginge an der heutigen Realität vorbei. Vorliegend sei eine gefestigte Lebensgemeinschaft gegeben. Das Verlöbnis verleihe ihr einen rechtlichen Rahmen. Der Umzug der Klägerin bedeute lediglich noch eine Festigung der bereits temporär bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Gegen das am 24. März 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, mit ihrem Lebensgefährten verlobt zu sein, weil keine Absicht bestanden habe, bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses oder kurz danach die Ehe zu schließen. Vielmehr sei das Ehev...