Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse. Überprüfung der Erforderlichkeit durch die Krankenkasse. Abgrenzung stationärer Krankenhausbehandlung von der Behandlung in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhausträger entsteht, unabhängig von einer Kostenzusage, unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten des Versicherten setzt dessen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit voraus. Diese richtet sich allein nach medizinischen Erfordernissen.
2. Die Krankenkasse hat für ihre Entscheidung die Erforderlichkeit der stationären Behandlung eigenständig und ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen.
3. Bei der rechtlichen Abgrenzung der Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung von der Behandlung in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 SGB 5 kommt es entscheidend darauf an, ob es um die Behandlung der Krankheit selbst geht und nicht um die Sicherung des Behandlungserfolgs im Anschluss an die Krankenhausbehandlung, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten (vgl LSG Celle-Bremen vom 9.5.2012 - L 1 KR 241/10).
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 3.372,16 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Gemeinnützige Stiftung des Privatrechts für Diabetestherapie.
Gemäß § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ist Zweck der Stiftung die Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Situation für Diabetiker. Die Klägerin betreibt zur Erfüllung dieser Zwecke eine Fachklinik für Diabetes- und Stoffwechselkrankheiten in Bad M. im N.. Diese ist gemäß § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zugelassen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. O. verordnete dem am 28. Februar 1982 geborenen Versicherten der Beklagten P., Q., am 12. September 2006 Krankenhausbehandlung in der Fachklinik Bad M.. Auf der Verordnung war als Diagnose “Diabetes mellitus Typ I mit aktuell Stoffwechselentgleisung„ aufgeführt.
Der Versicherte wurde in der Zeit vom 21. September 2006 bis 13. Oktober 2006 in der Fachklinik für Diabetes- und Stoffwechselkrankheiten der Klägerin behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten am 18. Oktober 2006 einen Betrag in Höhe von 3.372,16 € (DRG K 60 E - Diabetes mellitus, Alter über 10 Jahre, ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne multiple Komplikationen oder Ketoazidose) in Rechnung, die die Beklagte zunächst auch beglich. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen vom 16. Januar 2007 ein und verrechnete den gesamten Rechnungsbetrag mit zwei unstreitigen Forderungen der Klägerin. Am 29. März 2007 holte eine Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 31. August 2007 ein.
Am 13. November 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Sie hat vorgetragen, dass angesichts der akuten Stoffwechselentgleisung bei stark schwankenden Blutzuckerwerten der stationäre Krankenhausaufenthalt des im Dreischichtbetrieb tätigen Versicherten, der dabei für die Bedienung von Maschinen verantwortlich war, zwingend notwendig gewesen sei. Nach Umstellung der Insulintherapie mit Glättung der Blutzuckerprofile und insbesondere der Hypoglykämiefrequenz sei ein Plan für die Nachtschicht ausgearbeitet worden, wobei eine Anpassung der Insulininjektionen, insbesondere der Reduktion der nächtlichen Basalinsulindosis und der Nahrungsaufnahme an den geänderten Tagesablauf, durchgeführt worden sei. Die stationäre Krankenhausbehandlung sei erforderlich gewesen.
Die Beklagte hat im Klageverfahren u.a. vorgetragen, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hätten nicht vorgelegen. Die Krankenhausbehandlung hätte durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vermieden werden können.
Das SG hat nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11. November 2010 die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2011 (in der Fassung des Beschlusses vom 31. März 2011) verurteilt, an die Klägerin 3.372,16 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz aus 1.434,18 € für den Zeitraum vom 5. April 2007 bis zum 24. April 2007 und aus 3.372,16 € ab dem 25. April 2007 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klage als Leistungsklage zulässig sei. Die Klägerin sei als Trägerin der Fachklinik aktiv legitimiert. Der Krankenhausträger könne den Vergütungsanspruch geltend machen. Hieran ändere die privatrechtliche Natur der Klägerin nichts. Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe Anspruch auf Vergütung der vollstationären Behandlung des Versicherten. Der An...