Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Frühgeburt. Anrechnung von anderen Leistungen. Mutterschaftsgeld. Nichtverlängerung des Bezugszeitraums. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Frühgebärende Mütter haben auch unter Berücksichtigung des Nichtbezuges von Mutterschaftsgeld in den sechs Wochen vor der Geburt des Kindes keinen Anspruch auf eine Verlängerung des Bezugszeitraums nach der Geburt gewährten Elterngeldes.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt in weitergehendem Umfang Elterngeld aufgrund der Erziehung ihrer am 15. Juni 2009 geborenen Töchter G. und H..

Nach der Frühgeburt der Zwillinge hat die zuvor berufstätige Klägerin vom 15. Juni bis 17. Oktober 2009 von der Krankenkasse Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 € täglich sowie von Seiten des Arbeitgebers einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 42,51 € täglich bezogen. In der Summe ergaben sich daraus tägliche Einnahmen von 55,51 €, entsprechend (bei einem Monat mit 30 Tagen) 1.665,30 € im Monat.

Am 15. Juli 2009 begehrten die Eltern die Gewährung von Elterngeld für insgesamt 14 Monate, und zwar für die ersten beiden Lebensmonate der Kinder zugunsten des Vaters und für die ersten zwölf Lebensmonate der Kinder zugunsten der Klägerin. Dem Grunde nach entsprach die Beklagte diesen Anträgen: Mit Bescheiden vom 22. Juli 2009 wurde dem Vater Elterngeld für den Zeitraum 15. Juni bis 14. August 2009 und der Klägerin für das erste Lebensjahr ihrer Kinder Elterngeld bewilligt.

Allerdings rechnete die Beklagte auf den Elterngeldanspruch der Klägerin in Höhe von monatlich 1.254,07 € die von ihr bis zum 17. Oktober 2009 bezogenen Leistungen in Form des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld an. Da die Höhe des Monatsbetrages der angerechneten Leistungen den Monatsbetrag des Elterngeldanspruchs überstieg, sprach sie der Klägerin erst für den Zeitraum ab dem 15. Oktober 2009 Elterngeld zu, und zwar für den fünften Lebensmonat der Kinder (15. Oktober bis 14. November 2009) in Höhe von 1.132,71 € (unter Anrechnung des noch für den Zeitraum 15. bis 17. Oktober 2009 fortgewährten Mutterschaftsgeldes einschließlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld) und für die folgenden Monate jeweils in Höhe von 1.254,07 €.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 mit der Begründung zurück, dass die gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) die vorgenommene Anrechnung des Mutterschaftsgeldes einschließlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld vorschrieben.

Zur Begründung der am 26. Oktober 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre Kinder nach ihrer Geburt intensivmedizinisch betreut werden mussten. Erst Mitte September 2009 habe sie eines der Kinder mit nach Hause nehmen können. Aufgrund der vorzeitigen Geburt habe sie vor der Entbindung weder Mutterschaftsgeld noch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Anspruch nehmen können. Die dadurch nach Maßgabe des § 6 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG) bedingte Verlängerung des pränatalen Schutzzeitraums bewirke im Ergebnis eine faktische Verkürzung der Bezugsdauer des Elterngeldes. Damit werde das Regelungsziel des § 6 MuSchG negiert. Dies sei um so weniger hinzunehmen, als Frühgeburten mit äußerst hohen Belastungen für die Eltern und Kinder verbunden seien. Damit werde zugleich das Gleichbehandlungsgebot missachtet.

Mit Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die einfachgesetzlichen Vorgaben zutreffend umgesetzt. Verfassungsgerichtliche Bedenken seien, wie bereits das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 8. Januar 2010 (L 13 EG 34/09) ausgeführt habe, nicht festzustellen.

Mit der am 29. Oktober 2010 eingelegten Berufung macht die Klägerin insbesondere geltend, dass das Sozialgericht der besonderen Problematik von extremen Frühgeburten nur unzureichend Rechnung getragen habe. Der durch das MuSchG "festgeschriebene" besondere Schutz der Mütter bei Frühgeburten werde durch die unsachgemäße Anrechnung der nach der Geburt bezogenen Mutterschutzleistungen auf den Elterngeldanspruch im Ergebnis wieder aufgehoben. Gerade bei Kindern, die in den ersten Wochen nach der Geburt in einem Inkubator aufgezogen werden müssten, beinhalte das im BEEG vorgesehene Festhalten am tatsächlichen Geburtstermin einen nicht hinnehmbaren Formalismus. Eine wortlautgetreue Anwendung des Gesetzes bewirke einen offensichtlichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2009 zu ändern und

2. die Beklagte zu verpflichten, ihr Elterngeld auch für den 3. bis 5. Lebensmonat ihrer Kinder in ungekü...

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