Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an die Bestimmtheit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides

 

Orientierungssatz

1. Ein Rücknahme- und Erstattungsbescheid über Leistungen des SGB 2 ist rechtswidrig ergangen, wenn er dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB 10 nicht genügt.

2. Welchen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind, richtet sich grundsätzlich nach dem materiellen Recht, auf welchem sein Erlass beruht.

3. Die Rücknahme von Bewilligungen über unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB 2 erfordert zunächst, den jeweils aufzuhebenden Bewilligungsbescheid und seine bereits erfolgten Änderungen unverwechselbar zu bezeichnen. Darüber hinaus muss die Aufhebung erkennbar machen, ob die Aufhebung alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betrifft oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränkt, die zu benennen sind.

4. Die vom Verwaltungsakt ausgehende Regelungswirkung muss diesem bei verständiger Auslegung ohne weitere Hilfsmittel zu entnehmen sein. Anderenfalls ist er wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot rechtswidrig ergangen und aufzuheben.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Berufungskläger hat der Berufungsbeklagten deren außergerichtliche Kosten auch der Berufungsinstanz zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Berufungskläger mit seinem angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 vorausgegangene Bewilligungsbescheide über die Gewährung unterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II rechtmäßig zurückgenommen und für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2007 unter Einschluss von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen einen Betrag von 17.934,45 Euro von der Berufungsbeklagten rechtswirksam zurückgefordert hat.

Die Berufungsbeklagte stand seit dem 01. Januar 2005 bei dem Berufungskläger im laufenden Bezug unterhaltssichernder Leistungen, deren Höhe dieser mit mehreren Bescheiden wie folgt festsetzte:

1. Bescheid vom 24.11.2004 (Bl. 21 der Beiakten) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 - 5 Monate - über 527,27 Euro monatlich (bewilligtes Volumen bis Mai 2005 = 2.636,35 Euro)

2. Änderungsbescheid vom 15.03.2005 (Bl. 40 der Beiakten) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 - 5 Monate - über 770,67 Euro monatlich (bewilligtes Volumen bis Mai 2005 statt 2.636,35 nun = 3.853,35 Euro)

3. Bescheid vom 31.05.2005 (Bl. 47 der Beiakten) für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 über

a) 770,67 Euro monatlich für Juni bis August 2005 - 3 Monate -

b) 693,34 Euro monatlich für September 2005 - 1 Monat -

c) 690,67 Euro monatlich für Oktober und November 2005 - 2 Monate -

(bewilligtes Volumen von Juni bis November 2005 = 4.386,69 Euro, insgesamt 8.240,04 Euro

4. Bescheid vom 06.12.2005 (Bl. 86 der Beiakten) für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 - 6 Monate - über 584,81 Euro monatlich (bewilligtes Volumen von Dezember 2005 bis Mai 2006 = 3.508,86 Euro, insgesamt 11.748,90 Euro).

5. Bescheid vom 22.05.2006 (Bl. 94 der Beiakten) für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 - 6 Monate - über 584,81 Euro monatlich (bewilligtes Volumen von Juni bis November 2006 danach 3.508,86 Euro, insgesamt 15.257,76 Euro).

6. Bescheid vom 13.12.2006 (Bl. 258 der Beiakten) für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 über

a) 584,81 Euro monatlich für Oktober und November 2006 - unverändert -

b) 256,85 Euro monatlich für Dezember 2006 bis März 2007 - 4 Monate -

(zusätzlich bewilligtes Volumen von Dezember 2006 bis Januar 2007 danach - anteilig - 513,70 Euro, insgesamt 15.771,46 Euro).

Nachdem er die Berufungsbeklagte zuvor wegen des Bestehens einer Einstehensgemeinschaft mit dem unter gleicher Anschrift wohnhaften Herrn D. sowie zu einer hieraus abzuleitenden Anrechnung von dessen Einkommen und Vermögen angehört hatte, teilte der Berufungskläger der Berufungsbeklagten mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Februar 2007 unter Bezugnahme auf Bescheide vom 25.11.2004, 31.05.2005, 06.12.2005 und 23.05.2006 mit:

"Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II wird für die Zeit vom 01.01.05 bis zum 31.01.07 ganz zurückgenommen und zwar in Höhe von 15.186,65 Euro."

In der Begründung seiner Entscheidung wiederholte er, die im Betreff genannten Bescheide seien nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2007 in Höhe von 15.186,65 Euro zurückzunehmen, da die Berufungsbeklagte pflichtwidrig verschwiegen habe, dass sie mit Herrn D. eine Einstehensgemeinschaft bilde. Der überzahlte Betrag sei nach § 50 SGB X zu erstatten. Zu erstatten seien darüber hinaus nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 335 Abs. 1 SGB III auch die im fraglichen Zeitraum geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.450,76 Euro bzw. 297,04 Euro, so dass sich eine Gesamtforderung von 17.934,45 Euro ergebe.

Den h...

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