Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer Elektroepilation nach geschlechtsangleichender Behandlung bei Transsexualität durch Nichtarzt
Leitsatz (amtlich)
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist auch dann nicht verpflichtet, nach einer geschlechtsangleichenden Behandlung bei Transsexualität die Kosten für eine Elektroepilation der grauen und weißen Barthaare durch eine Kosmetikerin/Elektrologistin zu übernehmen, wenn ein Vertragsarzt die begehrte Leistung nicht erbringt. Ein Systemversagen, das sich daraus ergibt, dass die Versicherte keine Vertragsärzte findet, die die Nadelepilation der Barthaare erbringen, und die Krankenkasse und die Kassenärztliche Vereinigung auch keine leistungsbereiten Vertragsärzte benennen können, begründet keinen Anspruch der Versicherten gegen die Krankenkasse auf die Verschaffung einer als ärztliche Leistung gebotenen Behandlung durch einen Nichtarzt (vgl BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R = SozR 4-2500 § 28 Nr 9 Rn 22). Die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für eine Kostenübernahme weiterer Behandlungsmaßnahmen zur optischen Angleichung an das gewünschte Geschlecht obliegt dem Gesetzgeber.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 18. April 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für die Nadelepilation der verbliebenen weißlichen Barthaare.
Die 19I. geborene Klägerin ließ bei transsexueller Ausprägung geschlechtsangleichende Maßnahmen vornehmen. Ausweislich der fachärztlichen Bescheinigung von Dr J. vom 8. Februar 2018 wurde bei der Klägerin unter der Diagnose „Transsexualismus“ eine Laser-Epilation der störenden Barthaare durchgeführt. Im Ergebnis war eine gute Rückbildung des Haarwuchses festzustellen. Nur im Bereich der Oberlippe befanden sich in einer Zone von 2,5 x 0,5 cm rechts und links noch weißliche, borstige Barthaare, ebenso im mittleren Kinnbereich in einem Areal von 3 x 3 cm und im Bereich der vorderen Wangenpartie. Weißliche borstige Haare seien einer Laserepilation nicht zugänglich. In diesem Stadium komme nur noch die Feinnadel-Elektroepilation in Betracht. Eine Kostenübernahme der Behandlung wurde empfohlen mit dem Hinweis, dass die Praxis eine solche Behandlungsmethode nicht anbiete.
Mit Schreiben vom 3. April 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Entfernung der verbliebenen Barthaare mittels Elektroepilation im Kosmetikstudio K.. Sie habe sich bereits bei Frau L. vorgestellt. Diese sei ausgebildete Elektrologistin und habe die im Schreiben von Dr J. genannten Stellen begutachtet. Frau L. gehe davon aus, dass für eine Bartentfernung mittels Elektroepilation der genannten Stellen von einem Zeitaufwand von ca 30 bis 35 Minuten pro Sitzung ausgegangen werden müsse.
Mit Bescheid vom 18. April 2018 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Elektrologisten seien nicht berechtigt, ihre Leistungen über die gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Daher dürfe sie die Epilationsbehandlung durch Frau M. nicht übernehmen.
Mit ihrem Widerspruch rügte die Klägerin, dass es auch aus ihrer Sicht unzumutbar sei, eine Epilation bei einem Arzt vornehmen zu lassen, da eine Sitzung laut EBM nur 5 Minuten dauern dürfe. Zudem seien entsprechende Praxen ca 90 km von ihrem Wohnort entfernt. Frau N. sei ausgebildete und qualifizierte Elektrologistin; für sie sei die Nadelepilation eine Standardtherapie. Bei einer Epilationssitzung von ein bis zwei Stunden pro Woche würde sich eine Behandlungsdauer von lediglich etwa einem halben Jahr ergeben. Zudem verwies sie auf Urteile, in denen verschiedene Sozialgerichte die Krankenkasse zur Kostenübernahme der Epilation in einer Kosmetikpraxis verurteilt haben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Nadelepilation/Elektrokoagulation bei einer Elektrologistin stelle keine Leistung der Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) dar.
So weise § 28 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) implizit hinsichtlich der Durchführung der ärztlichen Behandlung auf den Rechtsbegriff „Arzt“ hin, auch gemäß § 15 Abs 1 SGB V werde durch die Aussage, dass ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht wird, der Arztvorbehalt reglementiert. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung beinhalte der in § 15 SGB V geregelte Arztvorbehalt einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heiltherapeuten. Die Nadelepilation bei einer Elektrologistin im Gesicht und/oder an den Händen bei krankhaftem und entstellendem Haarwuchs werde durch die Position 10340 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet und dürfe nur von Dermatologen abgerechnet werden. Nach § 15 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) sei eine Gebührenordnungsposition nur abrechnungsfähig, wenn der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt die für die A...