Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Überbrückungsgeld gem § 51 StVollzG nach Haftentlassung. keine zweckbestimmte Einnahme. Restguthaben nach 4 Wochen. keine Umwandlung in Vermögen. Verteilung der einmaligen Einnahme. § 51 StVollzG als lex specialis
Leitsatz (amtlich)
1. Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG ist als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB 2 zu berücksichtigen, wenn es dem ehemaligen Strafgefangenen nach Stellung des Antrages auf Gewährung von SGB 2-Leistungen zufließt.
2. Das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG kann nicht als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 angesehen werden.
3. Ergibt sich nach Verwendung des Überbrückungsgeldes nach § 51 Abs 1 StVollzG in den ersten vier Wochen nach der Entlassung aus der Strafhaft auf den notwendigen Lebensunterhalt des ehemaligen Strafgefangenen (und ggf seiner Unterhaltsberechtigten) ein Restguthaben, so handelt es sich hierbei nicht um Vermögen, sondern weiterhin um nach § 11 Abs 1 SGB 2 zu berücksichtigendes Einkommen.
Orientierungssatz
§ 51 Abs 1 StVollzG modifiziert als lex specialis die für einmalige Einnahmen geltenden Verteilungsregeln des § 2 Abs 4 AlgIIV 2008 iVm § 4 AlgIIV 2008 insofern, als der Haftentlassene in den ersten 4 Wochen nach seiner Entlassung nur dann einen Anspruch auf Leistungen nach SGB 2 hat, als das Überbrückungsgeld seinen Lebensunterhalt und den seiner Unterhaltsberechtigten nicht decken kann. Daher kommen die Regelungen des § 2 Abs 4 AlgIIV 2008 erst bei einem Restguthaben nach 4 Wochen zum Tragen.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. Februar 2009 geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger für den Bewilligungszeitraum 12. August bis 31. Dezember 2008 einen Betrag von 385,10 € nachzuzahlen. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 25. August (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Dezember 2008) dem entgegensteht, wird er aufgehoben; insoweit wird die Klage des Klägers gegen diese Bescheide abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. Februar 2009 abgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in den beiden Rechtszügen hat der Beklagte ein Drittel zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem beklagten J. die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), und zwar ohne die volle Anrechnung eines für ihn nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) gebildeten Überbrückungsgeldes.
Der am … Juni 1982 geborene Kläger stand seit 31. Mai 2005 im Grundsicherungsbezug bei der beklagten Arbeitsgemeinschaft. Da der Kläger im Mai 2006 nach K. verzog, wurden die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten mit Bescheid vom 9. Mai 2006 zu Ende April 2006 eingestellt.
Vom 16. Januar bis 14. Juli 2008 befand sich der Kläger aufgrund einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges durch das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 8. Januar 2007 - 14 L. (163 Js M.) - in der Justizvollzugsanstalt N., Abteilung K. in Strafhaft. Aus dieser Haft wurde er am 14. Juli 2008 nach Verbüßung der Hälfte seiner Freiheitsstrafe vorzeitig entlassen, weil der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt worden war. Während der Strafhaft hatte der Kläger bei der Firma O. GmbH in K. als Schlosser gearbeitet und hierfür Arbeitslohn erhalten; von diesem Arbeitslohn war ein Teil nach § 51 StVollzG als sog. Überbrückungsgeld einbehalten worden, so dass dem Kläger bei seiner Haftentlassung ein Betrag i. H. v. 1.045,32 € als Überbrückungsgeld sowie ein weiterer Betrag i. H. v. 88,97 € als sog. Eigengeld in bar ausbezahlt wurden.
Zuvor, und zwar am 2. Juli 2008 hatte der Kläger, der beabsichtigte, nach seiner Haftentlassung zunächst zu seiner in P. (Landkreis Q.) lebenden Mutter zu ziehen, bei dem Beklagten - erneut - die Gewährung von SGB II-Leistungen beantragt. Mit Bescheid vom 1. August 2008 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Bewilligungszeitraum 15. Juli bis 31. Dezember 2008 SGB II-Leistungen, und zwar für den Juli 2008 198,90 €, für die Monate August bis Oktober 2008 jeweils 202,54 € und für die Monate November sowie Dezember 2008 jeweils 550,64 €. Bei der Berechnung dieser Leistungen war der Beklagte in der Weise vorgegangen, dass er für den Juli 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt hatte, weil der Kläger - zunächst - bei seiner Mutter, die ebenfalls von dem Beklagten SGB II-Leistungen bezog, wohnte und weil der Mutter für deren 3-Zimmer-Mietwohung bereits Anfang Juli 2008 für diesen Monat Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe gewährt worden waren. Für die 17 Tage im Juli 2008 wurden daher dem Kläger von dem Beklagten nur 17/30 der monatlichen Regelleistung, und zwar 198,90 € bewilligt. In den Monaten ab August 2008 berücksichtigte der Beklagte die H...