Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Vergütung von Leistungen eines zugelassenen Krankenhauses außerhalb des Versorgungsauftrages für die Behandlung von Notfallpatienten. Verstoß gegen Treu und Glauben durch Nichteinhalten vertraglicher Vorgaben im Niedersächsischen Sicherstellungsvertrag
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für einen Notfall iS von § 8 Abs 1 S 3 Halbs 2 KHEntgG ist, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein teilnahmeberechtigter Behandler mangels Erreichbarkeit, Umfang des Teilnahmerechts, Qualifikation oder eigener Bereitschaft zur Behandlungsübernahme nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Danach muss eine sofortige ärztliche Behandlung erforderlich und dem Erkrankten die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes anstelle des (erreichbaren) Nicht-Vertragsarztes nicht zuzumuten sein. Dabei gibt zunächst die subjektive Sicht des Patienten den Ausschlag. Sucht der Patient einen Nicht-Vertragsarzt auf, weil er subjektiv eine Notfallsituation annimmt, sind die zur Klärung des Krankheitsbildes und des Vorliegens einer Notfallsituation notwendigen ärztlichen Maßnahmen (Anamnese, orientierende Befragung und Untersuchung, dh die von Abs 1 S 2 erfassten Leistungen) auch dann vergütungspflichtig, wenn sich herausstellt, dass objektiv kein Notfall vorliegt. Ergibt die Untersuchung, dass die Notfallkriterien nicht erfüllt sind, besteht für eine dennoch durchgeführte Behandlung kein Vergütungsanspruch.
2. Das Nichteinhalten vertraglicher Vorgaben im Niedersächsischen Sicherstellungsvertrag zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen (hier: Behandlung eines Versicherten der Krankenkasse außerhalb des Versorgungsauftrages) stellt einen Verstoß gegen Treu und Glauben gem § 242 BGB dar und rechtfertigt deshalb ein Abweichen von der vereinbarten Regel, dass die Krankenkasse die Rechnung unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu bezahlen hat.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 6.680,52 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von stationären Krankenhausleistungen in Höhe von 6.680,52 Euro.
Der 1929 geborene und bei der Beklagten versicherte K. (Versicherter) wurde vom 30. April 2007 bis zum 9. Mai 2007 im Hause der Klägerin stationär behandelt. Der Versicherte wurde am 30. April 2007 zunächst vom Klinikum L. aufgenommen. Dort wurde eine ambulante Computertomografie (CT) durchgeführt. Ergebnis dieser Untersuchung war der Nachweis von beidseitigen Hygromen (mit Flüssigkeit gefüllte Zysten) des Schädels.
Noch am 30. April 2007 wurde der Versicherte vom Klinikum L. in das Marienhospital L. verlegt. Ausweislich des Verlegungsbriefes der Sektion Neurotraumatologie und Wirbelsäulenchirurgie des Marienhospitals an das Niedersächsische Landeskrankenhaus vom 9. Mai 2007 war der Versicherte bei Aufnahme im Marienhospital zu Ort, Zeit und Person nur unzureichend orientiert. Bei zunehmender Vigilanz-Störung im Sinne von aggressiven Phasen und Ablehnung von Manipulation, z.B. am liegenden Dauerkatheter, wurde der Versicherte zur weiteren Diagnostik vorgestellt. Stand- und Gangversuche mit Hilfe waren möglich. Der Versicherte war jedoch wenig kooperativ. Es bestand keine Hemiparese, keine Absinktendenz der Arme und Beine. Nach notfallmäßiger Aufklärung der Kinder über die anstehende Bohrlochtrepanation beidseits wurde der Versicherte am 30. April 2007 operiert. Die eingebrachten subduralen Drainagen konnten bereits am 1. Mai 2007 gezogen werden. Eine Verlaufskontrolle des Schädels zeigte eine deutliche Entlastung der subduralen Hämatome mit noch bifrontaler Luftansammlung.
Die Klägerin stellte am 25. Mai 2007 für die Behandlung des Versicherten die DRG B02E in Höhe von 6.680,52 Euro in Rechnung. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung, welchem Fachgebiet die Behandlung zuzuordnen sei. Der MDK führte im Gutachten vom 7. November 2007 aus, dass die Maßnahmen des Krankenhauses angezeigt und korrekt erbracht worden seien. Es sei eine Bohrlochtrepanation mit Drainageleitung durchgeführt worden, wobei sich Hygromflüssigkeit entleert habe. Ein Kontroll-CT habe eine deutliche Rückbildung der Hygrome ergeben. Dabei habe es sich um eine klassische neurochirurgische Leistung gehandelt. Da neurochirurgische Leistungen nicht Bestandteil des Versorgungsauftrages der Klägerin seien, lehnte die Beklagte den Rechnungsausgleich mit Schreiben vom 19. November 2007 ab.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 12. Juni 2008, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Osnabrück am 13. Juni 2008, Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Versicherte als Notfall stationär aufgenommen und sofort wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung o...