Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Vergütungsanspruch eines nicht zugelassenen Krankenhauses bei Aufnahme eines Notfallpatienten
Orientierungssatz
1. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses iS von § 109 Abs 4 S 2 SGB 5 steht dessen Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 erforderlich gewesen ist.
2. Grundsätzlich hat die Krankenkasse die Versorgung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus nicht zu vergüten, es sei denn, es handelt sich um einen Notfallpatienten.
3. Hat das ursprünglich vorgesehene zugelassene Krankenhaus die Übernahme des Versicherten abgelehnt und war deshalb dessen Gesundheit und Leben akut bedroht, so besteht mit der notwendigen Aufnahme des Versicherten in einem geeigneten Krankenhaus ein Anspruch des Trägers auf die dafür anfallende Vergütung. Das Verhalten des zugelassenen Krankenhauses fällt insoweit in die Sphäre der Krankenkasse.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. November 2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die stationäre Behandlung des Patienten I. 46.018,42 € nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 9. Juni 2007 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 46.018,42 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Vergütung für die Behandlung des bei der Beklagten versicherten I. in der Zeit vom 24. März bis 27. April 2007.
Der Versicherte war am 24. März 2007 eine Treppe heruntergefallen und dabei mit dem Kopf aufgeschlagen. Er zog sich dabei einen Schädelbasisbruch im Bereich der rechten Mittelohrkammer sowie eine Hirnblutung links frontal mit einem Hirnödem zu. Der Versicherte wurde zunächst in das Krankenhaus J. eingeliefert, dort intubiert und beatmet. Eine Behandlung des Schädelhirntraumas war dort nicht möglich. Das Krankenhaus J. bemühte sich daher zunächst um eine Verlegung in das Krankenhaus K.. Dieses lehnte die Übernahme des Versicherten nach zwei Stunden ab. Daraufhin veranlasste das Krankenhaus J. die Verlegung des Versicherten in das Marienhospital L.. Dort wurde ihm umgehend eine Hirndruckmesssonde implantiert. Nachdem diese einen steigenden Hirndruck angezeigt hatte, erfolgte eine Craniektomie zur Druckentlastung. Der Patient wurde weiterhin bis zum 21. April 2007 künstlich beatmet und am 27. April 2007 in eine Rehabilitationsmaßnahme entlassen.
Unter dem 25. Mai 2007 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung des Versicherten einen Betrag von 46.018,42 € in Rechnung. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine neurochirurgische oder eine unfallchirurgische Behandlung gehandelt habe. Hintergrund dieser Frage war, dass das Marienhospital L. im Jahr 2007 im niedersächsischen Krankenhausplan für den Bereich Neurochirurgie nicht aufgenommen war. Für den Bereich L. war stattdessen die Paracelsus-Klinik in den Krankenhausplan aufgenommen worden. Der MDK kam in seinem Gutachten zu der Auffassung, es habe sich um eine neurochirurgische Maßnahme gehandelt. Daraufhin lehnte die Beklagte die Zahlung der Rechnung ab, weil die erbrachten Leistungen nicht Bestandteil des Versorgungsauftrages der Klägerin gewesen seien.
Die Klägerin hat am 28. Juli 2008 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück Klage erhoben. Sie trägt vor, der Versicherte sei als Notfall stationär aufgenommen worden. Daher komme es auf den Inhalt des Versorgungsvertrages nicht an. Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), wonach Entgelte nur im Rahmen des Versorgungsauftrages berechnet werden dürften, gelte nicht für Notfallpatienten. Auch habe es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um eine unfallchirurgische Leistung gehandelt, für die das Marienhospital O. zugelassen sei.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, es habe sich nicht mehr um einen Notfall gehandelt, denn der Versicherte sei bereits im Krankenhaus J. notfallmäßig versorgt worden. Zum Zeitpunkt der Verlegung habe kein Grund bestanden, die Verfahrens- und Zulassungsbestimmungen nicht einzuhalten. Es sei nicht hinzunehmen, dass ein Krankenhaus im Internet gezielt falsch informiere und sich über die Zulassungsbestimmung hinwegsetze.
Das SG hat das Gutachten des Chefarztes der Neurochirurgischen Klinik des Krankenhauses M., Prof. Dr. F. N., vom 31. August 2011 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, bei dem Versicherten habe ein schweres Schädelhirntrauma mit rechtshemisphärischen Kontusionsblutungen frontotemporal betont mit einem Hirnödem und einer Schädelbasisfraktur vorgelegen. Bei der Behandlung habe es sich eindeutig um eine neurochirurgische Behandlung gehandelt und nicht um eine unfallchirurgische. Zur Frage, ob ein Notfall vorlag hat sich der Sachverständige nicht geäußert, weil ...