Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
Ein wenige Stunden dauerndes privates Treffen innerhalb einer drei Tage dauernden Geschäftsreise führt nicht dazu, dass die im Anschluss an das Treffen angetretene Fahrt ins Übernachtungshotel nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 10. Januar 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2011 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 7. Juli 1966 zurückzunehmen. Es wird festgestellt, dass das Unfallereignis vom 7. Dezember 1965 ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Unfallereignisses vom 7. Dezember 1965 als Arbeitsunfall.
Der am 30. April 1944 geborene und im Unfallzeitpunkt in E. (inzwischen Ortsteil der Stadt F., Nordrhein-Westfalen) wohnhafte Kläger befand sich im Dezember 1965 im Rahmen seiner Tätigkeit als Innenarchitekt auf einer mehrtägigen Dienstreise für seinen damaligen Arbeitgeber, einem Unternehmen für Büroausstattungen. Die Dienstreise war für den Zeitraum vom 6. Dezember 1965 bis zum 8. oder 9. Dezember 1965 geplant. Zu diesem Zweck bezog er ein Hotelzimmer in der Gaststätte "G. " in H. im Landkreis I. (Niedersachsen), ca 18 km von J. entfernt. Am 6. Dezember 1965 nahm der Kläger ganztägig, bis ca 20 Uhr, einen Geschäftstermin in der Stadtverwaltung J. wahr. Anschließend traf er sich mit seiner Freundin und späteren Ehefrau, die zum damaligen Zeitpunkt im K. -Krankenhaus J. arbeitete, in J. in einem Restaurant. Auf dem Rückweg ins Hotel wurde sein Pkw gegen 0:30 Uhr auf der L. Landstraße von einer Windbö erfasst und prallte gegen einen Alleebaum. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 24. Januar 1965 erlitt der Kläger dabei eine Zertrümmerungsfraktur des kleinen Beckens und eine Hüftgelenksluxation links.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1966 lehnte die damalige Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-BG als Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7. Dezember 1965 mit der Begründung ab, der Kläger habe den Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen um etwa sechseinhalb Stunden später angetreten. Infolge der langen Dauer der Unterbrechung des Heimwegs könne die Fahrt nach H. in der Nacht zum 7. Dezember 1965 nicht mehr als Heimweg von den Dienstgeschäften angesehen werden, sondern müsse als Rückweg von einer privaten Tätigkeit gewertet werden. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Im Mai 2010 wandten sich die Ärzte des Klägers anlässlich einer geplanten Total-Hüftendoprothese (Hüft-TEP) an die Rechtsvorgängerin mit der Bitte um Kostenerstattung. Mit seinen Schreiben vom 28. Juni 2010 und 21. Januar 2011 teilte der Kläger mit, dass die BG in ihrem Bescheid vom 7. Juli 1966 nicht vom korrekten Unfalldatum und von einer unzutreffenden Zeitspanne zwischen Beendigung der dienstlichen Tätigkeit und Antritt des Heimweges ausgegangen sei.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2011 lehnte die Beklagte das als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 1966 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bewertete Begehren des Klägers ab. Bei Erlass des Bescheides sei weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. Das versicherte Dienstgeschäft (Besprechung) sei bereits beendet gewesen. Im Anschluss daran habe der Kläger eine eindeutig privat motivierte Fahrt angetreten. Der Unfall habe sich dann mehrere Stunden später auf der Rückfahrt vom privaten Besuch zu seiner Unterkunft ereignet. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Zurücklegung dieses unfallbringenden Weges und dem dienstlichen Auftrag sei insbesondere mit Rücksicht auf die Dauer der privaten unversicherten Verrichtung nicht erkennbar.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2011 zurück. Der Kläger hat unter Weiterverfolgung seines Begehrens am 2. August 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Er habe sich am 7. Dezember 1966 auf einer mehrtägigen Dienstreise befunden und sei deshalb während der gesamten Dauer der Dienstfahrt versichert gewesen.
Das SG Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 10. Januar 2012 abgewiesen. Der Verkehrsunfall vom 7. Dezember 1965 stehe nicht im inneren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beschäftigter der Firma M.. Zwar sei der Kläger zunächst im Rahmen seiner Dienstreise bei einer geschäftlichen Besprechung in J. gewesen, er habe jedoch diese grundsätzlich versicherte Tätigkeit durch das gemeinsame Abendessen mit seiner Verlobten unterbrochen, ohne dass der Versicherungsschutz für die Rückfahrt wieder aufgelebt sei. Für Wege vom oder zum Ort der Tätigkeit habe die Rechtsprechung im Interesse einer gleichmäßigeren und rechtssiche...