Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes als mittelbare Folge eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Gesundheitsstörungen können als Unfallfolgen nur anerkannt werden, wenn sie selbst sowie ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis nachgewiesen sind.
2. Für die Beurteilung zum Vorliegen eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes als mittelbare Unfallfolge sowie zur haftungsbegründenden Kausalität zwischen dieser Erkrankung und den Gesundheitserstschäden ist regelmäßig ein schmerztherapeutisches, nervenärztliches und/oder pharmakologisches Sachverständigengutachten einzuholen (BSG Beschluss vom 26. 11. 2019, B 2 U 122/19 B).
3. Der Medikamentenübergebrauch muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalls sein.
4. Ist nach medizinischer Sachverständigenbeurteilung der Vollbeweis eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes erbracht, welcher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die unmittelbaren Unfallfolgen zurückzuführen ist, so ist der geltend gemachte arzneimittelinduzierte Kopfschmerz als weitere Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 27. September 2017 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2016 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass ein arzneimittelinduzierter Kopfschmerz (G44.4 nach ICD-10) eine weitere Folge des Arbeitsunfalls des Klägers vom 14. Dezember 2015 ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes (G44.4 nach ICD-10) als (mittelbare) Unfallfolge streitig.
Mit einem am 14. Dezember 2015 erstatteten Durchgangsarztbericht teilte Dr. D., E., der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) mit, dass der F. geborene und als Bauleiter tätige Kläger am selben Tag auf dem Weg zur Arbeit mit seinem PKW in einen Verkehrsunfall geraten sei. Der Kläger sei auf einer vorfahrtsberechtigenden Straße gefahren, als ein Auto von rechts ihm die Vorfahrt genommen habe und in die Beifahrerseite gefahren sei. Der Kläger sei erst zur Arbeit gegangen, habe diese später abgebrochen und sei dann zur Behandlung erschienen. Im Rahmen der Untersuchung sei der Kläger wach und ansprechbar gewesen, es habe keine Amnesie für das Unfallgeschehen bestanden, die Pupillen seien seitengleich direkt und indirekt auf Licht reagibel gewesen. Er habe keine Doppelbilder gesehen und keine Schluckstörungen gehabt, die Halswirbelsäule (HWS) sei frei mobil ohne Druckschmerz über den Dornfortsätzen gewesen, es habe auch kein sensomotorisches Defizit bestanden. Eine Röntgenuntersuchung der HWS habe keine sichtbaren Zeichen einer knöchernen Verletzung gezeigt. Als Diagnose sei eine HWS-Distorsion zu stellen gewesen. Die weitere Behandlung erfolge durch Dr. G.. Der Kläger sei arbeitsunfähig bis voraussichtlich 21. Dezember 2015.
Mit weiterem Nachschaubericht vom 8. Januar 2016 teilte Dr. D. dann mit, dass der Kläger ein paar Tage nach dem Unfall bemerkt habe, dass er Konzentrationsstörungen und ein permanentes Druckgefühl im Kopf habe. Die Kopfschmerzen hätten sich beim Bewegen verstärkt. Er habe über Bewegungsschmerzen der HWS im Bereich des Trapezius beim Bewegen nach rechts geklagt. Der Kläger sei zum Neurologen überwiesen worden, die Erstellung einer Magnetresonanztomographie sei veranlasst worden.
Der den Kläger untersuchende Neurologe und Psychiater H., I., führte in seinem am 13. Januar 2016 erstellten Bericht aus, dass die Diagnose eines Spannungskopfschmerzes bei Distorsion der HWS zu stellen gewesen sei. Das am 8. Januar 2016 von Dr. J., Radiologe, I., erstellte MRT ergab bei C2/C4 einen kleinvolumigen dorsomedian linksbetonten Prolaps ohne Bedrängung nervaler Strukturen sowie beginnende osteochondrotische Veränderungen der Bandscheiben in T2w ohne Niveauverlust und Spondylarthrosen im Segment C4.
Dr. D. teilte der BG Bau nach Auswertung dieser Berichte am 25. Januar 2016 mit, dass der Kläger am selben Tag aus der ambulanten Behandlung entlassen worden sei. Die ärztliche Behandlung erfolge nicht mehr zu Lasten der Berufsgenossenschaft, weil im MRT kein Nachweis von Traumafolgen erbracht worden sei. Eine Weiterbehandlung erfolge durch den Hausarzt zu Lasten der Krankenkasse.
Die BG Bau übersandte der Beklagten am 26. Januar 2016 zuständigkeitshalber den Aktenvorgang, weil die Arbeitgeberin des Klägers, die K., am 21. August 2015 mitteilte, ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten zu sein.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2016 erhob der Kläger unter Bezugnahme auf ein vorher geführtes Telefonat mit der Beklagten Widerspruch gegen die Einstellung der Behandlungsmaßnahmen ab dem 25. Januar 2016 mit der Begründung, dass bei ihm noch erhebliche Beeinträchtigungen aufgrund der Nackenzerrung bestünden. Darüber h...