Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeldbemessung. Drei-Jahres-Zeitraum. Ablauf. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bemessung des Übergangsgelds ist für die Ermittlung des Regelentgelts auf das tarifliche, hilfsweise das ortsübliche Entgelt abzustellen, wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistung länger als drei Jahre zurückliegt.

2. Auch im Weg eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs besteht kein Anspruch auf die Bestimmung des Regelentgeltes auf der Grundlage des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts (Entgegen BSG vom 30.10.1985 - 5b RJ 86/84 = SozR 2200 § 1241a Nr 9).

3. Die vom Kläger erstrebte Rechtsfolge, das Übergangsgeld für die Maßnahme der Teilhabe am Arbeitsleben auf der Grundlage des § 47 SGB 9 zu bemessen, würde von der Beklagten ein rechtswidriges Verhalten verlangen. Dem steht § 48 S 1 Nr 3 SGB 9 entgegen.

4. Zu den außerhalb des Sozialleistungsverhältnisses liegenden und durch die Beklagte nicht zu verändernden tatsächlichen Umständen gehört auch der von § 47 Abs 1 S 1, § 48 S 1 Nr 3 SGB 9 in Bezug genommene letzte abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum. Das gleiche gilt für das rechnerisch zu ermittelnde Ende des daran anknüpfenden Drei-Jahres-Zeitraums.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. März 2008 aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Übergangsgeldes, das dem Kläger im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden ist.

Der Kläger war bis zum Eintritt dauernder Arbeitsunfähigkeit am 7. Juli 2001 als Kraftfahrer erwerbstätig. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im September und Oktober 2001 und Oktober bis Dezember 2002 gewährte die Beklagte ihm Übergangsgeld auf der Grundlage des im Juni 2001 erzielten Bruttomonatsarbeitsentgeltes von 5.633,55 DM in Höhe von 99,92 DM (entsprechend 51,09 €) bzw. 52,15 € kalendertäglich.

Aufgrund des von dem Kläger bereits im Oktober 2001 gestellten Antrages gewährte die Beklagte dem Kläger als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab dem 3. Januar 2005 zunächst ein Reha-Vorbereitungstraining, dann einen Reha-Vorbereitungslehrgang und schließlich eine Umschulung zum Automobilkaufmann. Hierfür bewilligte sie mit Bescheid vom 2. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 bzw. Bescheid vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2005 Übergangsgeld in Höhe von 29,72 € kalendertäglich. Dem legte sie das nach Auskunft des ehemaligen Arbeitsgebers des Klägers maßgebliche tarifliche Stundenentgelt von 9,97 € bei einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zugrunde.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat der Kläger Klagen zum Sozialgericht Hannover erhoben, das die Klagen mit Beschluss vom 2. März 2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Der Kläger hat auch für die ab dem 3. Januar 2005 durchgeführten Maßnahmen Übergangsgeld auf der Grundlage des im Juni 2001 erzielten Arbeitsentgeltes begehrt. Zu der für ihn ungünstigeren Berechnung auf der Basis des tariflichen Entgeltes komme es nur durch die verzögerliche Sachbearbeitung der Beklagten.

Mit Urteil vom 19. März 2008 hat das Sozialgericht unter Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Übergangsgeld des Klägers auch für die Zeit seit dem 3. Januar 2005 den im Juni 2001 erzielten Lohn zugrunde zu legen. Hierzu sei die Beklagte im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet. Bei pflichtgemäßem Verwaltungshandeln hätte die Rehabilitationsmaßnahme noch innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraumes beginnen können.

Gegen das ihr am 2. April 2008 zugestellte Urteil wendet sich die am 25. April 2008 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Eine verzögerliche Sachbearbeitung habe mit Rücksicht auf die notwendigen medizinischen Ermittlungen, insbesondere auch im Hinblick auf die sich während des Verfahrens einstellenden Veränderungen des Gesundheitszustandes des Klägers, nicht vorgelegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. März 2008 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. März 2008 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend und für überzeugend begründet.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Berichterstatters durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten des Sozialgerichts Hannover zu den Aktenzeichen S 22 U 338/02 und S 13 RJ 456/04 Bezug genommen. Diese waren Gegen...

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