Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Ausbildungsgeld. keine Anrechnung von Elterneinkommen bei Begründung eines eigenen Haushalts. verheiratete zusammenlebende Eltern. Gleichstellung mit getrennt lebenden Eltern
Orientierungssatz
Auf das Ausbildungsgeld eines behinderten Menschen, der in einem eigenen Haushalt lebt, ist das Einkommen der verheirateten zusammenlebenden Eltern nicht anzurechnen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Juli 2011 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin über den 30. Juli 2012 hinaus Ausbildungsgeld zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Elterneinkommen auf das der Klägerin gewährte Ausbildungsgeld.
Die 1990 geborene Klägerin nahm am 31. Januar 2011 eine Ausbildung zur Verkaufshelferin im B... werk (B...) auf. Während der Ausbildung ist sie bei dem Bildungsträger untergebracht. Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2011 die Übernahme der Lehrgangskosten sowie Reisekosten für Familienheimfahrten für die voraussichtliche Dauer der Ausbildung vom 31. Januar 2011 bis 30. Januar 2014. Zugleich lehnte sie die Bewilligung von Ausbildungsgeld für die Zeit vom 31. Januar 2011 bis 30. Juli 2012 mit der Begründung ab, die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts stünden anderweitig zur Verfügung. Bei der Berechnung des Ausbildungsgeldes berücksichtigte die Beklagte das Einkommen der Eltern der Klägerin in der seinerzeit nachgewiesenen Höhe.
Gegen den Bescheid vom 20. Januar 2011 erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass ihr Vater zum 1. August 2010 in den Ruhestand getreten sei. Deshalb sei sein Einkommen im Bewilligungszeitraum wesentlich geringer. Der Vater der Klägerin legte hierzu aktuelle Gehaltsmitteilungen vor.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2011 gab die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin statt und bewilligte Ausbildungsgeld für die Zeit vom 31. Januar 2011 bis 31. Juli 2011 in Höhe von 87,00 € monatlich sowie für die Zeit vom 1. August 2011 bis 30. Juli 2012 in Höhe von 69,00 € monatlich. Dabei rechnete sie das Einkommen der Eltern der Klägerin an, soweit es einen Grundfreibetrag in Höhe von 2.909,00 € überstieg. Die Bewilligung erfolgte vorläufig mit der Begründung, dass sich das Einkommen des Vaters im Bewilligungszeitraum noch nicht abschließend feststellen lasse. Für die Zeit ab August 2011 könne zudem noch nicht über die Berücksichtigung eines Freibetrages bei der Anrechnung des elterlichen Einkommens entschieden werden, da das Studium der Schwester der Klägerin ende und nicht bekannt sei, welcher Tätigkeit die Schwester dann nachgehen werde und inwieweit Einkünfte erzielt werden würden.
Auch gegen den Bescheid vom 24. Februar 2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Klägerin lebe in einer Einrichtung und somit nicht bei ihren Eltern. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) scheide eine Anrechnung von Elterneinkommen aufgrund dieses Sachverhalts von vornherein aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die vorliegende Sachlage werde von dem von der Klägerin angeführten Urteil des BSG nicht erfasst. Eine Anrechnung des Elterneinkommens entfalle danach nur dann vollständig, wenn die Eltern des Auszubildenden getrennt leben. Dies sei hier nicht der Fall.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2011 (“Änderungsbescheid zum Bescheid vom 20. Januar 2011 / 24. Februar 2011„) bewilligte die Beklagte für die Klägerin wiederum vorläufig Ausbildungsgeld für die Zeit vom 31. Januar 2011 bis 31. Juli 2011 in unveränderter Höhe (87,00 € monatlich) sowie für die Zeit vom 1. August 2011 nunmehr bis zum 30. Januar 2013 in Höhe von 69,00 € monatlich; darüber hinaus bewilligte sie erneut Lehrgangskosten und Reisekosten für Familienheimfahrten für den Zeitraum vom 31. Januar 2011 bis 30. Januar 2013 in bisheriger Höhe. Der Bescheid vom 24. Februar 2011 werde ab 31. Januar 2013 aufgehoben, da sich das voraussichtliche Ausbildungsende geändert habe.
Am 3. Juni 2011 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 24. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg. Auf die Frage des Getrenntlebens der Eltern komme es nicht an. Maßgebend sei, dass die Klägerin bei keinem Elternteil wohne. In diesem Fall entspreche es dem Willen des Gesetzgebers, die Eltern nicht mit Unterhaltsbeiträgen zu belasten. Somit sei auch hier das Elterneinkommen nicht auf das Ausbildungsgeld anzurechnen.
Mit Urteil vom 6. Juli 2011 hat das SG Lüneburg die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. ...