Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Radarstrahlung. Krebserkrankung. ursächlicher Zusammenhang. Bericht der Radarkommission. fehlende Dokumentation der Bundeswehr für Zeiträume vor 1980. keine Beweislastumkehr. keine Wahrscheinlichkeit der Gefährdung von Zuarbeitern von Wartungstechnikern und Reparateuren. erforderliche Schädigung von Organen in Höhe der Strahlungsquelle. Gefahr von radiumhaltige Farben. Einwirkungskausalität. Gesamtdosis der Strahlungseinwirkung. äquivalentes Erkrankungsbild
Orientierungssatz
1. Eine fehlende Beobachtung und Dokumentation von Strahlenbelastungen durch die Bundeswehr in der Vergangenheit (Zeitraum vor 1980) führt nicht zu einer Beweislastumkehr, wenn nicht erkennbar ist, dass damit gegen damals geltende gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde.
2. Die „Radarkommission“ ist davon ausgegangen, dass eine Gefährdung durch ionisierende Strahlung durch Radargeräte der Bundeswehr (hier Waffensystem NIKE der Luftwaffe) nur für das Personal in unmittelbarer Nähe der Sendeschränke entsteht und dass eine solche besondere Nähe nur bei Einstellungs- und Reparaturarbeiten erreicht wird. Selbst eine (in der damaligen Praxis übliche) Zuarbeit in Form von Handreichungen und Reparaturbegleitungen rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Betroffene in gleicher Weise einer Strahlung ausgesetzt war, wie bei den qualifizierenden Tätigkeiten der Techniker/Mechaniker.
3. Befanden sich die strahlenden Bauteile in Brusthöhe des Betroffenen (in einer Höhe von 1,60 m bis 1,80 m), ist nicht wahrscheinlich, dass hierdurch eine Krebserkrankung am unteren Darm verursacht worden ist.
4. Die Exposition gegenüber radiumhaltiger Leuchtfarbe in der Bundeswehr (vor 1980) kann eine Wehrdienstbeschädigung verursacht haben, wenn eine ausreichende Gesamtdosis-Einwirkung festgestellt wird und der Betroffene an Knochen- oder Lungenkrebs erkrankt ist (hier verneint).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist die Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des 1944 geborenen und 2004 an den Folgen einer metastasierenden Darmkrebserkrankung verstorbenen Herrn L. M. Der Verstorbene war vom 1.4.1964 bis 31.12.1994 Berufssoldat bei der Bundeswehr. Während seiner Dienstzeit fand er die folgenden Verwendungen:
|
1.4.1964 - 24.3.1966 militärische Grundausbildung, Hilfsausbildung bzw. Schüler in verschiedenen Einheiten der Luftwaffe |
|
25.3.1966 - 4.8.1977 Unteroffizier bzw. Offizier - teilweise im Feuerleitbereich - verschiedener Flugabwehrraketen (FlaRak)-Stellungen (Waffensystem NIKE) |
(dabei 2.6.1966 - 27.1.1967 diverse Lehrgänge in den USA) |
|
5.8.1977 - 16.3.1980 FlaRak-Offizier und Einsatzoffizier an der Schule der US-Luftwaffe in Fort Bliss/Texas |
|
17.3.1980 - 30.9.1987 FlaRak-Offizier und Chef der Einheit in Delmenhorst (NIKE) 1.10.1987 - 31.3.1990 Einsatz-Stabsoffizier/FlaRa-Stabsoffizier (NIKE) |
|
1.4.1990 - 31.3.1991 FlaRak-Stabsoffizier und stellvertretender Geschwaderkommodore in Cuxhaven (Waffensystem HAWK) |
|
1.4.1991 - 31.3.1992 FlaRak-Stabsoffizier und stellvertretender Kommodore (HAWK) |
|
1.4.1992 - 31.12.1994 Lehroffizier und InChef an der Schule der US-Luftwaffe Fort Bliss/Texas. |
Im September 2001 wurde bei Herrn M. ein Rektumkarzinom festgestellt, welches nach Metastasierungen zum Tode führte.
Am 1.10.2001 beantragte der Verstorbene bei der Beklagten - N., O. - u.a. die Anerkennung der Gesundheitsstörung „Darmkrebs/Metastasen in der Leber“ als Schädigungsfolgen einer Wehrdienstbeschädigung (WDB), die er auf seinen Einsatz in verschiedenen Funktionen (Bediener, Ausbilder, Überprüfer, Dienstaufsichtsführender) an/in Radargeräten/Bedienfahrzeugen der Waffensysteme NIKE bzw. HAWK in den Jahren 1966 bis 1977, 1981 bis 1984 bzw. 1990 bis 1994 zurückführte. Die Beklagte zog zunächst die G-Karte nebst Einlegekarten des später Verstorbenen sowie weitere medizinische Unterlagen vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen (IWBB), die Personalunterlagen des Kreiswehrersatzamtes P. sowie eine Stellungnahme der Q. - R. (öffentlich-rechtliche Aufsicht Arbeitssicherheit/Technischer Umweltschutz) - vom 18.4.2002 bei.
Mit Bescheid vom 28.5.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Bei Strahlung im Zusammenhang mit Radargeräten sei zwischen Hochfrequenzstrahlungen (HF-Strahlung, elektromagnetische Felder) und ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung) zu unterscheiden. Nach den zu seinem Fall bestehenden technischen Erkenntnissen und den Stellungnahmen zum Arbeitsplatz eines FlaRak-Offiziers könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Soldat dort Röntgenstrahlen ausgesetzt gewesen sei. Als FlaRak-Offizier habe er insbeso...