Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. Vorliegen einer besonderen Härte. Verwertung eines zu Lebzeiten des Leistungsberechtigten privilegierten Vermögens. vom Erben vor und nach dem Erbfall selbst bewohntes Hausgrundstück. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 15/17 R

 

Orientierungssatz

1. Eine besondere Härte iS des § 102 Abs 3 Nr 3 SGB 12 kann sich nicht allein daraus ergeben, dass der Nachlassgegenstand zu Lebzeiten des Leistungsberechtigten zu dem nach § 90 Abs 2 und 3 SGB 12 privilegierten Vermögen gehörte, dies stellt vielmehr den typischen Anwendungsfall des § 102 SGB 12 dar.

2. Allerdings kann ein atypischer Sachverhalt vorliegen, wenn der Nachlass auch für die Erben privilegiertes Vermögen wäre (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R = SozR 4-5910 § 92c Nr 1).

 

Leitsatz (amtlich)

Die Inanspruchnahme des Erben (hier der Ehefrau des Verstorbenen) zum Kostenersatz kann eine besondere Härte nach § 102 Abs 3 Nr 3 SGB XII bedeuten, wenn dies die Verwertung eines von ihm vor und nach dem Erbfall selbst bewohnten Hausgrundstücks verlangt, welches vor dem Tod des Leistungsberechtigten allein den Wohnzwecken des Erben diente und als angemessenes Hausgrundstück nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII geschützt war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.02.2019; Aktenzeichen B 8 SO 15/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Juli 2013 und der Bescheid des Beklagten vom 7. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2011 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe, die ihrem Ehemann für die Zeit vom 14. Mai 2007 bis zum 25. Mai 2009 gewährt worden ist.

Die 1936 geborene Klägerin ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments Alleinerbin ihres 1928 geborenen und am 25. Mai 2009 verstorbenen Ehemannes. Dieser wurde vom 14. Mai 2007 bis zu seinem Tod vollstationär in einem Pflegeheim versorgt und erhielt in dieser Zeit Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II und ab April 2008 nach Pflegestufe III. Außerdem bezog er eine Altersrente von der landwirtschaftlichen Alterskasse (monatlicher Zahlbetrag ab Juli 2007: 544,37 €) und eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Braunschweig Hannover (monatlicher Zahlbetrag ab Juli 2007: 579,58 €) und war Alleineigentümer zweier Grundstücke. Eines der Grundstücke (Grundbuch F., Blatt 543, Flurstück G.) ist 15.336 m2 groß und mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Ehemann bis zu seiner Aufnahme in das Pflegeheim gemeinsam mit der Klägerin und dem 1974 geborenen Sohn gewohnt hatte; im Übrigen ist das Grundstück vor allem Grünland und Waldfläche. Das zweite Grundstück (Grundbuch F., Blatt 543, Flurstück H.) ist eine Waldfläche und hat eine Größe von 17.544 m2. Der Ehemann war außerdem bei Aufnahme in das Pflegeheim Eigentümer eines PKW (Opel Meriva, Erstzulassung 2003). Die Klägerin erzielte in der Zeit des Aufenthalts ihres Ehemannes im Pflegeheim Einkommen in Form einer Altersrente von der DRV Braunschweig-Hannover (monatlicher Zahlbetrag ab Juli 2007: 253,88 €).Seitdem Tod ihres Ehemannes bezieht die Klägerin neben der Altersrente von der DRV Braunschweig-Hannover (Januar 2011: 261,42 €) eine Witwenrente. von der DRV Braunschweig-Hannover (Januar 2011: 358,06 €), eine Altersrente von der landwirtschaftlichen Alterskasse (Januar 2011: 187,02 €) sowie eine Witwenrente von der landwirtschaftlichen Alterskasse (Januar 2011: 207,57 €).

Der Träger des Pflegeheims stellte für den Ehemann am 14. Mai 2007 einen Sozialhilfeantrag. Im nachträglich eingereichten Antragsformular gab die Klägerin u.a. an, dass das Wohnhaus 1948 erbaut worden sei und eine Wohnfläche von ca. 100 m2 habe und dass das Grundstück einen Wert von ca. 125.000,00 € habe. In einem Vermerk einer Mitarbeiterin des Beklagten über ein am 20. Dezember 2007 geführtes Telefongespräch mit einem von der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt hieß es u.a.:

"Das Hausgrundstück ist zwar unangemessen groß, allerdings vollkommen "wertlos". Das Wohnhaus ist ein ehemaliges Heuerhaus, das nur teilweise Wohnzwecken dient. Der vordere Teil ist Diele, die nicht isoliert ist. Das Grundstück ist so groß, weil die Kläranlage darauf und die Zuwegung dorthin untergebracht ist."

Außerdem teilte der Rechtsanwalt auf Anfrage des Beklagten mit, dass der PKW von der Klägerin genutzt werde, insbesondere für Besuche ihres Ehemannes, Einkäufe und Arztbesuche (Schreiben vom 28. Dezember 2007).

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Januar 2008 für den Aufenthalt im Alten- und Pflegeheim ab dem 14. Mai 2007 Sozialh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge