Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Unzulässigkeit einer kostenlosen privaten Auslandskrankenversicherung. keine Aufgabenerweiterung. keine Annextätigkeit. Aufsichtsmaßnahme nach § 89 Abs 1 SGB 4. kein Vertrauensschutz bei jahrelangem Tolerieren eines rechtswidrigen Handelns durch die Aufsichtsbehörde
Orientierungssatz
1. Eine Kooperation der gesetzlichen Krankenkasse mit einer privaten Krankenkasse über einen kostenlosen privaten Auslandskrankenversicherungsschutz für gesetzlich Krankenversicherte durch die gesetzliche Krankenversicherung ist rechtswidrig. Es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Versicherten gesetzesfremde Leistungen zu ermöglichen.
2. Aus § 1 S 3 SGB 5 lässt sich keine Aufgabenerweiterung herleiten. Es ist einer gesetzlichen Krankenkasse nicht gestattet, Versicherten zusätzliche Leistungen anzubieten, die vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasst sind bzw über die im Leistungskatalog gelisteten Leistungen hinausgehen.
3. Die Auslandsreisekrankenversicherung kann nicht als Annextätigkeit der Haupttätigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen werden.
4. Ein jahrelanges Tolerieren eines rechtwidrigen Handelns eines Versicherungsträgers durch die Aufsichtsbehörde begründet kein schützenswertes Vertrauen und steht dem Erlass eines Aufsichtsbescheides nach § 89 Abs 1 SGB 4 nicht entgegen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 660.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Verpflichtungsbescheid nach § 89 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Die Klägerin als Versicherungsnehmerin schloss mit der K. Krankenversicherung a.G. am 15. Oktober 2007 eine Vereinbarung über einen Auslandsreisekrankenversicherungsschutz für urlaubs- und berufsbedingte Reisen ihrer Mitglieder sowie deren Familienangehörige. Nach § 1 des Vertrages sind alle Mitglieder des Versicherungsnehmers sowie deren Familienangehörige, die nach § 10 SGB V einen Anspruch auf Familienversicherung haben, versichert. Die K. bietet gemäß § 3 des Vertrages bei urlaubs- und beruflich bedingten Reisen im Ausland Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannten Ereignisse an und ersetzt die dort entstandenen Aufwendungen für Heilbehandlung und sonstige vereinbarte Leistungen. Der private Auslandskrankenversicherungsschutz besteht weltweit. § 5 der Vereinbarung legt den Umfang der Leistungsverpflichtung der K. fest und sieht eine Erstattung der Aufwendungen zu 100 % vor. Die für das jeweilige Versicherungsjahr fälligen Beiträge zahlt die Klägerin als Versicherungsnehmerin an die K. (§ 9) (je versicherte Person pro Versicherungsjahr 4,00 €). Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bl. 7 ff VA verwiesen.
Die Klägerin hatte zuvor ihre Absicht, eine Auslandskrankenversicherung für ihre Versicherten abzuschließen, der Beklagten im Mai 2007 angezeigt. Nach einem Schriftwechsel (vgl. Schreiben vom 12. Juli, 11. und 14. September 2007), in dem die Beklagte u.a. darauf hingewiesen hatte, dass die Ausführungen zur Prüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ungenügend und mit rechtlichen Grundlagen nicht vereinbar seien, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. September 2007 mit, dass sie die vorgesehene Kooperation mit der K. Krankenversicherung a.G. über die Durchführung der Auslandsreisekrankenversicherung bis auf Weiteres hinnehmen würde. Mit Schreiben vom 23. März 2009 machte die Beklagte die Klägerin darauf aufmerksam, dass ein Verstoß gegen § 30 SGB IV vorliegen würde, da eine gesetzliche Krankenkasse ihre Beitragseinnahmen nicht zur Finanzierung einer privaten Auslandsreiskrankenversicherung für ihre Versicherten ausgeben dürfte. Eine aufsichtsrechtliche Tolerierung könne nur unter sehr engen Voraussetzungen, zu denen zuvorderst die Wirtschaftlichkeit der Verfahrensweise gehöre, erfolgen.
Mit Schreiben vom 08. Juni 2009 informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass sie in der Zeit vom 01. Dezember 2007 bis 30. November 2008 eine Gesamtprämie in Höhe von 237.900,00 Euro für die obligatorische Auslands-PKV aufgewendet habe. Dem Aufwand stünden geschätzte Einsparungen (z.B. durch Wegfall von Verwaltungsarbeit bei den Auslandsabrechnungen) in Höhe von 238.500,00 Euro gegenüber.
Mit Schreiben vom 07. September 2009 teilte die Beklagte abermals mit, dass sie die Durchführung der Auslandsreisekrankenversicherung bis auf Weiteres hinnehme. Dies stehe unter dem Vorbehalt, dass die Klägerin durch ein ständiges Vertragscontrolling fortwährend die Wirtschaftlichkeit der Kooperation überwache und beim Bundesversicherungsamt (BVA) jährlich Nachweise über die Wirtschaftlichkeit bis spätestens zum 30. Juni eines Kalenderjahres einreiche. Entsprechende Mitteilungen machte die Klägerin unter dem 21. Mai 2010 und 01. April 2011. Mit Schreiben vom 2. Juli 2010 teilte die Beklagte w...