Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Hörfunkreporter bei einer Rundfunkanstalt. im Voraus vereinbarte, pauschal vergütete Dienste mit bestimmten Anfangs- und Endzeiten. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Ein Hörfunkreporter ist bei einer Rundfunkanstalt sozialversicherungspflichtig beschäftigt, soweit er dort im Rahmen von im Voraus vereinbarten, pauschal vergüteten Diensten mit bestimmten Anfangs- und Endzeiten tätig wird, auch wenn sich seine Tätigkeit durch einen erheblichen journalistisch-eigenschöpferischen Eigenanteil auszeichnet.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 31.5.2023 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.6.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2020 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin seit dem 6.11.2006 nur insoweit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund einer abhängigen Beschäftigung unterliegt, soweit er im Rahmen von im Voraus vereinbarten, pauschal vergüteten Diensten mit bestimmten Anfangs- und Endzeiten tätig wird.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte. Ausgenommen sind die Kosten der Beigeladenen, die nicht zu erstatten sind.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass der Beigeladene zu 1. seit dem 6.11.2006 bei ihr sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Klägerin ist eine Landesrundfunkanstalt, für die der Beigeladene zu 1. seit August 2002 als Hörfunkreporter tätig ist. Ein Rahmenvertrag für dieses Tätigwerden existiert nicht. Bis zum 31.12.2023 führte die Klägerin für ihn keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Seit dem 1.1.2024 ist er überwiegend als Nachrichtenredakteur und nur noch in geringem Umfange als Reporter für sie tätig. Seitdem führt sie auf sämtliche von ihm bei ihr erzielten Einkünfte Sozialversicherungsbeiträge ab.
Am 30.1.2020 beantragte der Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Feststellung, dass keine Beschäftigung vorliege. Er gab an, für verschiedene ARD-Anstalten, dabei in erster Linie für die Klägerin, tätig zu sein. Er arbeite „als vollkommen freier Autor“, aber auch im Rahmen der hier zur beurteilenden „Beschäftigung“, in der er „zu einem festen Geldbetrag zu relativ festen Zeiten thematisch enger festgelegt“ zum Einsatz käme. Er erstelle eigenständig getextete „Aufsager“ für Nachrichten und Magazine, längere Beiträge, Live-Gespräche sowie Reportagen. Die Themen kämen aus der Redaktion oder würden von ihm vorgeschlagen. Die Auftraggeber entschieden, welche Themen sie bearbeitet haben möchten. Bei Erteilen eines Auftrages erfolge eine Absprache mit den Redakteuren über Sendezeit und Beitragslänge, teilweise auch über Inhalt und Darstellung. Überwiegend lägen Umsetzung, Schwerpunktsetzung, Informationsgewinnung sowie Auswahl der Interviewpartner und O-Ton-Geber aber bei ihm. Meistens würfen die Redakteure noch einen Blick auf das Ergebnis; Veränderungen erfolgten kurzfristig in gemeinsamer Absprache. Die „Beschäftigungsangebote“ würden Wochen vorher für einen Monat abgefragt. Er könne frei entscheiden, ob und für welche Zeiten er ein Angebot annehme. Er habe keinen Anspruch darauf, eingeteilt zu werden. Die Anwesenheit werde während der „Beschäftigungszeiten“ unterstellt, aber nicht kontrolliert. Entscheidend seien Erreichbarkeit und Arbeitsergebnis. Prinzipiell gelte: „Politik: 8 - 16.30 Uhr & 11 - 19.30 Uhr / Wirtschaft: 8.30 - 17.00 Uhr“. Er sei überwiegend in den Räumen der Klägerin tätig. Dort erfolgten auch die Vorbereitungen und Recherchen sowie das Verfassen der Skripte und das Produzieren. Dagegen erforderten Pressekonferenzen, Gespräche und das Einholen von O-Tönen, dass anderenorts gearbeitet werde. Es sei gewünscht, dass er an einer täglichen Konferenz teilnehme. Berufsbegleitende Schulungen zahle die Klägerin nicht. Ein Unternehmerrisiko trage er insofern, als er ein eigenes Aufnahmegerät nutze. Fahrtkosten u.ä. würden ihm nicht erstattet. Er habe keinen Anspruch auf eine vollständige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Auf Nachfrage trug der Beigeladene zu 1. weiter vor, die Klägerin habe 2006 beschlossen, für ein Mindestmaß an Reportern zu bestimmten Tageszeiten zu sorgen, um stets handlungsfähig zu sein. Insoweit werde er unabhängig vom „Output“ pauschal vergütet. Ob er sich bei Bedarf auf eine Verlängerung seiner Arbeitszeit einlasse, entscheide er. Die Arbeitsergebnisse müssten in das System der Klägerin eingepflegt werden. Der Produktionsstandort liege deshalb naturgemäß in ihren Räumen. Er könne aber auch von zu Hause aus recherchieren sowie Beiträge produzieren und der Klägerin zu...