Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Einsatz des Einkommens und Vermögens. Mittagessen als integraler Bestandteil. Tagesbildungsstätte. Kostenbeitrag. fehlende Rechtsgrundlage. Ermessensausübung
Orientierungssatz
1. § 92 Abs 2 SGB 12 schafft keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung, sondern stellt eine Einschränkung des § 92 Abs 1 SGB 12 dar; ein Kostenbeitrag nach Abs 2 setzt eine Einstandspflicht nach Abs 2 voraus.
2. Es bleibt offen, ob das in einer Tagesbildungsstätte gewährte Mittagessen (als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe) zu den Kosten des Lebensunterhalts iS des § 92 Abs 2 SGB 12 gehört.
3. § 92a Abs 1 SGB 12 enthält keine Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenbeitrages von Eltern minderjähriger und unverheirateter Kinder für die Leistungen in der Einrichtung.
4. Eine Heranziehung nach § 88 Abs 1 SGB 12 ist rechtswidrig, wenn der Träger der Sozialhilfe bei der Festsetzung des Kostenbeitrags kein Ermessen ausgeübt hat.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Oktober 2007 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 wird vollständig aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 528,52 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen Kostenbeitragsbescheid des Beklagten, mit dem dieser seit August 2006 einen Kostenbeitrag wegen ersparter Aufwendungen für den Lebensunterhalt ihres Sohnes durch dessen regelmäßige Teilnahme am Mittagessen in einer Tagesbildungsstätte verlangt.
Bei dem 1990 geborenen Sohn der Kläger, N... P..., besteht eine schwere Lernbehinderung mit ausgeprägter motorischer Unruhe und Neigung zu zwanghaften Ritualen (Befund der Jugendärztin des Beklagten, Frau S..., vom 15.11.2002). Er wurde zum 1. August 2002 in der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe S... e.V. aufgenommen. Der Kläger zu 1. beantragte für seinen Sohn am 26. Juli 2002 die Gewährung von Eingliederungshilfe für den Besuch der Tagesbildungsstätte. Der Beklagte gab am 28. November 2002 ein endgültiges Kostenanerkenntnis für die teilstationäre Betreuung, längstens bis 31. Juli 2005 ab. Dieser Bescheid war an die Kläger gerichtet. Er enthielt den Hinweis: "Über einen eventuell zu leistenden Kosten- bzw Unterhaltsbeitrag ergeht ein gesonderter Bescheid." Aus dem von den Klägern ausgefüllten Fragebogen zwecks Einkommensüberprüfung ergab sich, dass der Kläger zu 1. damals vom 30. Juni 2003 bis 2. Februar 2005 Übergangsgeld von der Bundesagentur in Höhe von monatlich 1.266,60 € bezog. Die Klägerin zu 2. war Hausfrau, im Haushalt der Kläger lebte zusätzlich die Tochter N..., geboren 1994. Nach einer Einkommensprüfung ergab sich, dass für die Familie ein Sozialhilfeanspruch in Höhe von 108,89 € bestünde. Deshalb wurde kein Kostenbeitrag geltend gemacht. Nach Erhalt einer pädagogischen Stellungnahme der Einrichtung zur weiteren Förderung des Sohnes der Kläger vom 22. Februar 2005 gab der Beklagte ein weiteres Kostenanerkenntnis bis längstens zum 31. Juli 2010 ab (Bescheid vom 15. April 2005).
Ohne weitere Einkommensprüfung erließ der Beklagte sodann den Leistungsbescheid vom 5. Juli 2006, mit dem er von den Klägern ab 1. August 2006 einen Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 48,30 € wegen der ersparten Aufwendungen für den Lebensunterhalt ihres Sohnes durch dessen regelmäßige Teilnahme am Mittagessen in der Einrichtung verlangte. Die Kläger reichten im Widerspruchsverfahren (Widerspruch vom 20. Juli 2006) den SGB II-Leistungsbescheid vom 11. September 2006, betreffend den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. März 2007 ein. Daraus ergab sich, dass die ARGE Job Center S... dem Kläger zu 1. und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, nämlich der Klägerin zu 2. sowie den Kindern N... und N... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab 1. Oktober 2006 in Höhe von monatlich 1.539,75 € bewilligte. Der Sohn der Kläger war bei der Leistungsbewilligung mit dem für ihn geltenden Regelsatz in Höhe von 276,00 € sowie mit einem Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige in Höhe von 97,00 € berücksichtigt. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 9. März 2007).
Dagegen haben die Kläger am 5. April 2007 Klage erhoben, die sie damit begründet haben, es gebe keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung eines pauschalierten Kostenbeitrags. Das SG Stade hat mit Urteil vom 5. Oktober 2007, zugestellt am 29. November 2007, entschieden, dass der Bescheid aufzuheben sei, soweit der Kostenbeitrag einen Betrag in Höhe von monatlich 21,53 € übersteige. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Kostenbeitrages sei § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII, § 92 Abs 2 Satz 3 SGB XII. Danach könne ein Kostenbeitrag auch pauschal erhoben werden, al...