Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungszeit für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder. Berücksichtigung einer zwölfmonatigen Erziehungszeit. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der rentenrechtlichen Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG mit Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua = BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 - aufgestellten Vorgaben ist eine Verfassungswidrigkeit des § 249 Abs 1 SGB 6 jedenfalls bislang nicht festzustellen.

 

Orientierungssatz

Dem Gesetzgeber kommt hinsichtlich der Frage, ob und ggfs unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß auch solchen Tatbeständen eine rentenrechtliche Relevanz zukommen soll, die nicht mit einer Beitragsentrichtung verbunden sind, ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl insbesondere BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 = NJW 2007, 1577 = SGb 2007, 422).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am 15. November 1935 geborene Klägerin begehrt eine höhere Altersrente.

Die Klägerin besuchte bis März 1952 die Schule. Anschließend durchlief sie nach einer kurzfristigen Zwischentätigkeit von Juni 1952 bis Mai 1954 eine Lehre zur Bürogehilfin. Die folgenden Jahre bis Ende 1962 sind mit Pflichtbeiträgen belegt.

Für ihre zwei Kinder sind der Klägerin jeweils ein Jahr Beitragszeiten für Kindererziehung zuerkannt worden, und zwar für die Zeiträume März 1963 bis Februar 1964, April 1965 bis März 1966.

Für den Zeitraum von Januar 1982 bis Dezember 1985 sind für die Klägerin freiwillige Beiträge entrichtet worden; ansonsten weist ihr Versicherungskonto für die Zeit nach der Geburt der Kinder - abgesehen von den o.g. Kindererziehungszeiten - keine Beitragszeiten auf.

Mit Bescheid vom 13. November 2000 gewährte die Beklagte der Klägerin ab Dezember 2000 die Regelaltersrente in Höhe von monatlich 517,40 DM. Dabei ermittelte die Beklagte 10,6504 persönliche Entgeltpunkte. Von diesen entfielen 10,4802 Entgeltpunkte auf 200 Monate Beitragszeit (unter Einschluss der o.g. Kindererziehungszeiten), 0,1420 Entgeltpunkte für 4 Monate mit beitragsfreien Zeiten; hinzu kamen 0,0282 zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten.

Zur Begründung ihres mit Schreiben vom 8. Dezember 2000 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass ihr Beitrag zur "Solidargemeinschaft Rente" in die Erziehung und Ausbildung ihrer beiden Kinder geflossen sei. Inzwischen zahlten ihre beiden Töchter Höchstbeiträge in die Rentenkasse, wohingegen sie mit einer Rente unterhalb des Sozialhilfeniveaus abgefunden werden solle. Damit würden die Vorgaben des BVerfG in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 (1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 - E 87, 1) missachtet und die für die Rentenversicherung bestandssichernde Leistung der Kindererziehung nur völlig unzureichend berücksichtigt.

Ihre Lebensleistung werde auch sonst nur unzureichend berücksichtigt. Infolge der Reformen in der Rentenversicherung würden ihre Schulzeiten nicht mehr rentensteigernd berücksichtigt. Zudem habe eine damit einhergehende Verschiebung der beitragsgeminderten Zeiten ebenfalls ihren Rentenanspruch vermindert. Eine im Jahre 1994 erteilte Rentenauskunft habe ihr unter Zugrundelegung der damals maßgeblichen Rechtslage noch eine monatliche Rente in Höhe 555,78 DM in Aussicht gestellt, dies würde hochgerechnet einer heutigen Rente von 586,95 DM entsprechen. Es könne nicht richtig sein, dass die Lebensarbeitsleistung der Nachkriegsschüler und Wirtschaftsaufbaugeneration in jeder Hinsicht gekürzt werde.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2001, an die Klägerin abgesandt am 7. Februar 2001, wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Zur Begründung erläuterte sie insbesondere: Auf die in den 90er Jahren erteilte Rentenauskunft könne sich die Klägerin nicht berufen. Diese Auskunft habe den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die Rentenanwartschaft nach den seinerzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben berechnet worden sei und sich daher aus nachfolgenden gesetzlichen Neuregelungen auch Veränderungen zulasten der Klägerin ergeben könnten. Auch § 109 Abs. 4 SGB VI normiere ausdrücklich, dass Rentenauskünfte nicht rechtsverbindlich seien.

Materiellrechtlich sei die nunmehr erfolgte Rentenberechnung unter Berücksichtigung der seit Erlass der vorausgegangenen Rentenauskunft erfolgten Änderungen des SGB VI nicht zu beanstanden. Insbesondere habe der Gesetzgeber durch das zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - (BGBl. I, 1426) die rentenrechtliche Berücksichtigung von Schul- und Ausbildungszeiten eingeschränkt; dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten komme nicht in Betracht, da für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder und damit auch für die beiden Töchter der Klägerin nach der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI rentenrechtlich nur eine zwölfm...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge