Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. kurzfristiger Antrag auf Terminverlegung wegen Krankheit. Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verhinderungsgrundes. soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopfer. Glaubhaftmachung eines tätlichen Angriffs. Untersuchungsmaxime
Orientierungssatz
1. Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw Reiseunfähigkeit besteht (vgl BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B = SozR 4-1500 § 110 Nr 1). Dies erfordert, dass das Gericht aus dem Vortrag der Klägerin und den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen Art, Schwere und Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann.
2. Wird bereits eine Gewalttat iS des § 1 Abs 1 OEG nicht nachgewiesen bzw glaubhaft gemacht, ist Beweisanträgen zur Frage, ob eine Erkrankung kausal auf die behauptete Gewalttat zurückzuführen ist, nicht mehr nachzugehen.
Normenkette
ZPO § 227 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1; OEG § 1 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 3; KOVVfG § 15 Abs. 1; SGG § 202 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 11.4.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht Versorgungsleistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG.
Die 1978 geborene Klägerin ist serbisch-montenegrinische Staatsangehörige. Im August 1995 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte hier bis zum 8.12.1997 ohne Duldung oder sonstigen Aufenthaltstitel. Für die Zeit ab dem 9.12.1997 erhielt sie (jeweils befristet) Duldungen bzw. eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Seit dem 18.3.2006 besitzt sie aufgrund der Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz.
Im August 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie gab an, infolge körperlicher Misshandlung im März 1996 durch ihren damaligen Verlobten, den im Jahre 1979 geborenen L., in einem Asylbewerberwohnheim in M. erblindet zu sein. Im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens reichte die Klägerin diverse Unterlagen zu den Akten, so u. a. die Stellungnahme des Allgemeinmediziners N. vom 21.2.2006 sowie des Augenarztes Dr. O. vom 14.3.2006.
Der Beklagte zog Unterlagen aus der Schwerbehindertenakte der Klägerin bei, wonach für die Klägerin ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H, RF, B und Bl festgestellt worden sind. Darüber hinaus zog er die medizinischen Unterlagen der Klägerin beim P. /Geschäftsbereich Soziales sowie diverse Unterlagen aus der Ausländerakte der Klägerin beim Landkreis Q. bei. Weiterhin zog der Beklagte diverse Unterlagen aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft R. zu den Verfahren XX (von der Klägerin initiiertes Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des S.) und XX (von der Klägerin initiiertes Verfahren gegen ihren früheren Verlobten wegen der angeschuldigten Körperverletzung), so u. a. die Protokolle über die richterlichen Vernehmungen der Klägerin vom 13.12.2006 und des T. am 21.2.2006, die Stellungnahme des Augenarztes Dr. U. vom 16.10.2007 sowie das augenfachärztliche Gutachten des Dr. V. vom 26.1.2008 bei. Das Ermittlungsverfahren gegen den früheren Verlobten der Klägerin wurde mit Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 11.3.2008 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Die hiergegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Bescheid der Staatsanwaltschaft W. vom 14.4.2008). Weiterhin zog der Beklagte die medizinischen Unterlagen der Klägerin bei den Städtischen Kliniken X. /Augenklinik bei. Darüber hinaus holte der Beklagte die Stellungnahmen des Chefarztes dieser Klinik, Prof. Dr. Y. vom 12.4.2007, der Oberärztin dieser Klinik, Dr. Z., vom 4.1.2006, sowie seines Ärztlichen Dienstes vom 21.11.2006 (Dr. AA.) ein.
Mit Bescheid vom 19.6.2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab, weil die Klägerin sich zum Zeitpunkt der behaupteten Gewalttat unrechtmäßig ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten habe, § 1 Abs. 4 bis 6 OEG. Unabhängig hiervon sei der erforderliche Nachweis einer Schädigung auch nicht erbracht. Aus den beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ergebe sich letztlich kein Nachweis des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhaltes. Der ehemalige Verlobte der Klägerin bestreite die Tätlichkeiten. Unmittelbare Tatzeugen gebe es nicht. Die Aussagen der vernommenen Zeugen, mit welchen die Klägerin in der Vergangenheit zu tun gehabt habe, seien widersprüchlich. Teilweise werde behauptet, die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Einreise in d...