Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Teilaufhebung der Leistungsbewilligung. Ablehnung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zukunft. Einbeziehung von Bewilligungsbescheiden über Folgezeiträume

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Antrag auf Anerkennung eines Mehrbedarfs (hier wegen kostenaufwändiger Ernährung) nach § 30 SGB XII handelt es sich um einen Antrag auf (höhere) Leistungen, über den die Verwaltung nicht isoliert, also unabhängig von der Prüfung, ob laufende lebensunterhaltssichernde Sozialhilfeleistungen zu bewilligen sind, abschlägig entscheiden kann (Fortführung von LSG Celle-Bremen vom 11.12.2014 - L 8 SO 106/14 B = SAR 2015, 50 = juris RdNr 7).

2. Bei einer durch isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffenen (Teil-)Aufhebung einer Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zukunft werden Bewilligungsbescheide, die vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergehen und Folgezeiträume betreffen, nicht in entsprechender Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (Abgrenzung zu BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R = juris RdNr 10, vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R = BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7, RdNr 11 und vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R = juris RdNr 11).

 

Normenkette

SGB XII § 3 Abs. 2, §§ 30, 43a, 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1; Nds. AG SGB XII Fassung: 2004-12-16 § 1 Abs. 2 S. 1; Nds. AG SGB XII Fassung: 2004-12-16 § 8 Abs. 1 S. 1; Nds. AG SGB XII Fassung: 2004-12-16 § 9 Abs. 4; SGB X § 39 Abs. 2, § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1, 3 Nrn. 2-3, § 48 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 133, 157; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 56, 78 Abs. 1 S. 1, §§ 86, 95-96, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 193

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. Juli 2017 geändert und die Bescheide der Landeshauptstadt Hannover vom 7. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 26. September 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit ab Februar 2016.

Die 1948 geborene Klägerin, die russische Staatsangehörige ist, über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt und seit Ende der 1990er-Jahre in Deutschland lebt, bezieht von der namens und im Auftrag der Beklagten handelnden Landeshauptstadt Hannover (im Folgenden: LHH) ergänzend zu ihrer russischen Rente Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G und aG anerkannt. Sie leidet u.a. unter rheumatoider Arthritis, Diabetes mellitus Typ 2, Hypercholesterinämie, Osteoporose, Nebennierenamyloidose und Untergewicht.

Mit (Grundlagen-)Bescheid vom 8.9.2014 erkannte die LHH einen Mehrbedarf der Klägerin wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1.10.2014 bis 31.3.2016 in Höhe von 20 % des Regelsatzes an. Der Bewilligungsbescheid vom 5.8.2015, mit dem ihr die LHH Leistungen für die Zeit vom 1.8.2015 bis 31.7.2016 in Höhe von monatlich 922,50 € bewilligte, berücksichtigte einen monatlichen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 79,80 €. Der Bescheid enthielt den Zusatz, die Klägerin erhalte die Leistung zunächst bis zum 31.7.2016, soweit nicht durch einen Änderungsbescheid die Leistung dem Grunde oder der Höhe nach neu festzusetzen sei. Mit Änderungsbescheid vom 4.1.2016 bewilligte die LHH für den Monat Februar 2016 insgesamt Leistungen von 929,35 € unter Erhöhung des Mehrbedarfs-Betrages auf 80,80 €, wobei sich der aktuelle Bewilligungszeitraum auf die Zeit bis zum 31.7.2016 erstrecke. Mit Schreiben vom gleichen Tag wies sie die Klägerin darauf hin, dass die Anerkennung des Mehrbedarfs für Ernährung am 31.3.2016 ende und im Anschluss die Notwendigkeit erneut unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen zu prüfen sei. Daraufhin stellte die Klägerin am 11.2.2016 einen „Verlängerungs“antrag bei der LHH unter Übersendung einer Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 10.2.2016. Mit Stellungnahme vom 1.3.2016 teilte der amtsärztliche Dienst der Beklagten mit, dass keine Anhaltspunkte für einen krankheitsbedingten erhöhten Ernährungsaufwand vorlägen. Insbesondere der Diabetes mellitus rechtfertige nach dem aktuellen Begutachtungsleitfaden keinen solchen mehr. Bei ihren Erkrankungen bedürfe die Klägerin keiner spezifischen Diät, sondern Vollkost. Mit Änderungsbescheid vom 2.3.2016 erhöhte sich der Bewilligungsbetrag für den Monat März 2016 auf 930,74 € unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Ernährung von weiterhin 80,80 € mit dem Zusatz, der aktuelle Bewilligungszeitraum erstrecke sich bis zum 31.7.2016. Den Antrag der Klägerin vom 11.2.2016 auf weitere Anerkennung des Mehrbedarfs für Ernährung ...

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