Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. Altfall. abgeschlossenes Verfahren. Übergangsregelung. Anhängigkeit einer Individualbeschwerde vor dem EGMR. Nichteinhaltung der Klagefrist des Art 35 MRK. Zeitpunkt der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung. Verfassungsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen. sozialgerichtliches Verfahren. Überlange Verfahrensdauer. Abschluss des ordentlichen Rechtszugs. Beschwerde beim EGMR. Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die Frist des Art 35 Abs 1 MRK beginnt bei sozialgerichtlichen Verfahren, für die eine überlange Verfahrensdauer geltend gemacht wird, mit dem Abschluss des ordentlichen Rechtszuges. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Anforderungen des Art 13 MRK an einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen und hindert nicht den Ablauf der in Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG vorgesehenen Frist für Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits abgeschlossen waren.
Normenkette
EMRK Art. 35 Abs. 1, Art. 35 Art. 13; GRüGV Art. 23
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 3.600,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten eine Entschädigung wegen überlanger Dauer seines Ablehnungsgesuches gegen den Facharzt für Orthopädie Dr. B. wegen der Besorgnis der Befangenheit in dem Verfahren S 16 U 35/04 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig und in dem Beschwerdeverfahren L 6 B 12/06 U vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen. Insoweit macht der Kläger nach teilweiser Rücknahme seiner Klage noch immateriellen Schadensersatz in Höhe von 3.600,00 Euro geltend.
Der 1958 geborene Kläger erlitt am 18. Mai 2000 einen Unfall, als er während seiner beruflichen Tätigkeit als Kraftfahrzeug-Prüfer und Einfahrer mit dem linken Bein abrutschte und sich das linke Kniegelenk verletzte. Mit Bescheid vom 25. November 2003 lehnte die Berufsgenossenschaft die Gewährung einer Verletztenrente zunächst ab, weil die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) lediglich 15 v.H. betrage, half dem dagegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2004 ab und gewährte nach beratungsärztlicher Stellungnahme mit Wirkung vom 11. Dezember 2000 eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. wegen der Unfallfolgen: operativ versorgter Innenmeniskushinterhorn- und vorderer Kreuzbandteilriss links mit mäßiger Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks, Dehnung des vorderen Kreuzbandes bei noch bestehender vorderer Schubladenbeweglichkeit und Innenbandlockerung sowie Knieinstabilität links, welche muskulär nicht kompensiert sei, Muskelminderung des linken Oberschenkels sowie deutliche Schwellneigung des linken Unterschenkels nach aufgetretener Thrombose.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2005 entzog die Berufsgenossenschaft dem Kläger die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Oktober 2005 wegen fehlender Mitwirkung, weil er nicht bereit gewesen sei, sich erneut gutachterlich untersuchen zu lassen.
Nach Anhörung des Klägers entzog ihm die Berufsgenossenschaft mit weiterem Bescheid vom 25. November 2005 die Verletztenrente zum 1. Dezember 2005, weil seitdem keine MdE in rentenberechtigendem Umfang mehr vorliege.
Der Kläger erhob am 10. März 2004 Klage zum SG Braunschweig zu dem Aktenzeichen S 16 U 35/04, mit welcher er die Feststellung einer höheren MdE als 20 v.H. begehrte. Er erhob ferner Klage gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für weitere ambulante Therapien und Behandlungen (S 16 U 104/05), Klage gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für weitere Behandlungen aus Anlass seiner Lumboischialgien und seiner Coxarthrose (S 16 U 105/05), Klage gegen die Aufforderung zur stationären Heilbehandlung in Bad C. (S 16 U 106/05) und Klage gegen die aufgrund fehlender Mitwirkung erfolgte Entziehung seiner Verletztenrente (S 16 U 184/05). Das SG verband die Verfahren mit Beschlüssen vom 1. August 2005 und 7. Februar 2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Das SG zog das Gutachten des Sachverständigen Dr. B., Facharzt für Orthopädie, vom 4. Oktober 2005 bei, welches in dem Rechtsstreit des Klägers gegen das Land Niedersachsen zu dem Aktenzeichen S 8 SB 209/05 WA für das SG erstattet worden war. Ferner nahm Dr. B. am 28. Februar 2006 in Vorbereitung zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung in dem Verfahren S 16 U 35/04 nach Aktenlage ergänzend Stellung.
Nachdem das SG das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 4. Oktober 2005 aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen das Land Niedersachsen zu dem Aktenzeichen S 8 SB 209/05 WA beigezogen hatte - die Beweisanordnung hatte unter Ziffer 4 bis 7 auch Fragen dazu enthalten, welche Gesundheitsstörungen des Klägers auf den Arbeitsunfall vom 18. Mai 2000 zurückzuführen seien -, erhob der Kläger hier...