Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

 

Orientierungssatz

1. Nach dem durch Art. 5 ÜGG eingefügten § 41 Nr. 7 ZPO gilt, dass ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren ausgeschlossen ist, wenn er in einem früheren Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Damit wird dem Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit und ansonsten zu erwartender Befangenheitsgesuche vorgebeugt.

2. Als ein Verfahren gilt nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG der gesamte Zeitraum von der Einleitung des Verfahrens in der ersten Instanz bis zur endgültigen rechtskräftigen Entscheidung. Ob das rügebefallene Verfahren unangemessen gedauert hat, muss das Entschädigungsgericht mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer beurteilen. Ein vom Kläger gerügter säumiger Verfahrensabschnitt kann durch nachfolgende oder vorgängige Beschleunigung kompensiert werden.

3. In Verzug geratene Erinnerungsverfahren können keinen Entschädigungsanspruch vermitteln, weil es nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG allein auf den Zeitraum zwischen der Klageerhebung und dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ankommt.

4. Ein Antragsteller missbraucht das System der §§ 198 ff. GVG, wenn er aus nichtigem Anlass fortlaufend neue Entschädigungsverfahren in Gang setzt. Eine vernünftige Rechtsauffassung erlaubt, dass der Richter als querulatorisch einzuordnende Eingaben nach einer vorherigen sachlichen Bescheidung und einer entsprechenden Ankündigung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs unbeachtet zu den Akten nimmt.

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

Er macht eine unangemessene Dauer des am 09.08.2012 anhängig gemachten Erinnerungsverfahrens (§ 66 Gerichtskostengesetz (GKG)) hinsichtlich der Kostenrechnung vom 03.08.2012 im Verfahren L 11 SF 119/12 VE AS geltend. Der Antragsteller hat gegen diese Kostenrechnung mit Schreiben vom 09.08.2012 Erinnerung eingelegt. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Abhilfeentscheidung vom 05.09.2012). Nach Aktenlage ist die Abhilfeentscheidung dem Antragsteller nicht zugeleitet worden, allerdings ist unter dem 12.03.2013 eine neue Kostenrechnung gefertigt und dem Antragsteller zugegangen, die er wiederum mit der Erinnerung angegriffen hat.

Ausgangspunkt aller vor dem erkennenden Senat, dem 3. Senat und dem 5. Senat des Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen vom Antragsteller geführten, in der Hauptsache auf Entschädigung nach §§ 198 ff. GVG gerichteten Verfahren sind nach seinem Vorbringen (z.B. im Rechtsstreit L 11 SF 277/13 EK AS Schriftsatz vom 02.01.2013) die vor dem Sozialgericht (SG) Detmold geführten Rechtsstreite S 10 AS 46/09 und S 10 AS 48/09. In dem Rechtsstreit S 10 AS 46/09 begehrt der Antragsteller die Wiederaufnahme des durch Anerkenntnis und dessen Annahme beendeten Rechtsstreits S 10 (18) AS 200/06 mit dem Ziel, die Zahlung von 10,12 EUR Zinsen zu erreichen (Beschluss vom 23.02.2009 - S 10 AS 46/09 SG Detmold -). In dem Rechtsstreit S 10 AS 48/09 geht es dem Antragsteller um die Wiederaufnahme des durch Anerkenntnis und dessen Annahme beendeten Rechtsstreits S 10 (18) AS 2/08 und im Wesentlichen um die Verurteilung der Beklagten (B in C GmbH) zur Zahlung von 59,06 EUR Zinsen (Beschluss des SG Detmold vom 23.02.2009 - S 10 AS 48/09 -). Ausgehend von diesen Rechtsstreitigkeiten hat der Antragsteller allein in der Zeit vom 09.02.2012 bis zum 08.07.2014 beim LSG Nordrhein-Westfalen weit über 100 Gerichtsverfahren anhängig gemacht. Auf die diesem Beschluss beigefügte Liste wird verwiesen. Dabei nimmt der Antragsteller regelhaft ein Entschädigungsverfahren, sobald dieses nach seiner Auffassung zu lange dauert, zum Anlass, ein nächstes Entschädigungsverfahren zu konstruieren, das dann die Grundlage für ein nachfolgendes Entschädigungsverfahren bildet (u.s.w.). Nahezu sämtliche vom Antragsteller solchermaßen genierten Entschädigungsketten werden von Befangenheitsanträgen, Anhörungsrügen, Erinnerungen pp begleitet. Hierzu rechnet auch, dass der Antragsteller nicht nur gegen die originär zuständigen Richter Befangenheitsanträge stellt, sondern auch gegen jene, die nach dem Geschäftsverteilungsplan über den Befangenheitsantrag zu entscheiden und wiederum gegen die, die diesen Antrag zu bearbeiten haben. Diese Verfahren wiederum nutzt der Antragsteller, um neue Entschädigungsverfahren zu generieren, in denen sich sein Vorgehen wiederholt.

II.

Der Antrag ist abzulehnen.

1. Der Senat ist gemäß § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG, beide eingefügt durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I S 2302) und zuletzt ge...

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