Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche bzw -psychotherapeutische Versorgung. Nichterteilung der Genehmigung eines Entlastungsassistenten durch Kassenärztliche Vereinigung. Vorliegen eines Dauerbedarfs oder einer unabsehbaren Bedarfslage
Leitsatz (amtlich)
Auch zur Ermöglichung einer berufspolitischen Tätigkeit des Vertragsarztes darf die Kassenärztliche Vereinigung die Genehmigung eines Entlastungsassistenten nicht erteilen, wenn insoweit ein Dauerbedarf oder eine unabsehbare Bedarfslage gegeben ist (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 31.3.2004 - L 3 KA 37/02).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. August 2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Entlastungsassistentin.
Der Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut mit Praxis in E. und nimmt an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil. Am 28. Juni 2005 beantragte er bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), die Tätigkeit der Diplom-Psychologin F. als Entlastungsassistentin in seiner Praxis mit zusätzlich 16 Therapiestunden pro Woche zu genehmigen. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er bedingt durch verschiedene berufspolitische Mandate seit 1999 nicht in der Lage sei, eine voll ausgelastete Praxis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit 36 Therapiestunden pro Woche zu führen. Er sei gegenwärtig Mitglied der Vertreterversammlung der Beklagten, des Widerspruchsausschusses bei der Hauptgeschäftsstelle der Beklagten, des beratenden Fachausschusses für Psychotherapie der Beklagten, der Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen sowie Mitglied im Beirat Psychotherapeutenkammer-Ärztekammer. Weiterhin sei er stellvertretender Delegierter der Bundespsychotherapeutenkammer, Mitglied im Widerspruchsausschuss des Psychotherapeutenversorgungswerks Niedersachsen, Sprecher der Allianz psychotherapeutischer Berufs- und Fachverbände und der Verbände der "Koalition für Psychotherapie" sowie Landesvorsitzender des Deutschen Psychotherapeuten-Verbands e.V.
Mit Bescheid vom 22. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wies sie ua darauf hin, dass die vom Kläger vorgetragene Situation noch über mehrere Jahre andauern solle; bei einem Dauerbedarf sei aber ein Antrag nach § 32b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zu stellen. Der Kläger stehe auch noch im erforderlichen Maß für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung, weil der Zeitaufwand für die berufspolitischen Mandate auch bei großzügiger Bemessung ca. sechs Stunden in der Woche nicht überschreite. Im Übrigen seien seine Fallzahlen in den letzten vier Jahren trotz der berufspolitischen Tätigkeiten angestiegen, so dass bei der Beschäftigung eines Assistenten mit der Vergrößerung der Kassenpraxis zu rechnen sei.
Mit seinem Widerspruch vom 21. Dezember 2005 hielt der Kläger dem entgegen, dass er im Jahr 2005 auf einen Zeitaufwand von mindestens 13 Stunden pro Woche komme. Die Versorgung der Versicherten mit Psychotherapie im Planungsbereich Stadt E. sei auch nicht sichergestellt, da die Wartezeiten auf einen Therapieplatz derzeit in der Regel mindestens sechs Monate betrügen. Die relativ geringen Fallzahlsteigerungen in den letzten vier Jahren sagten nichts über den tatsächlichen Leistungsumfang aus, der regelmäßig deutlich unter dem Durchschnitt seiner Berufsgruppe geblieben sei. Seine verschiedenen berufspolitischen Mandate dauerten zwar noch einige Jahre an; er sei aber mit einer zeitlichen Beschränkung der Entlastungsassistenz auf zunächst zwei Jahre einverstanden.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. März 2006) und hob zur Begründung ua hervor, dass angesichts der Entwicklung der Fallzahlen ein ausgleichsbedürftiges "Minus" in der Tätigkeit des Klägers nicht bestehe. Auch bei unterstellten 13 Wochenstunden ehrenamtlicher Tätigkeit sei davon auszugehen, dass die vertragsärztliche Tätigkeit hierdurch nicht beeinflusst werde. Der Bedarf sei ferner nicht nur vorübergehend, weil er sich nicht lediglich auf einen überschaubaren Zeitraum erstrecke.
Hiergegen hat der Kläger am 7. April 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Bei der Prüfung des Entlastungsbedarfs habe die Beklagte zu Unrecht außer Acht gelassen, dass der Umsatz des Fachgruppendurchschnitts in dem Zeitraum vom 1. Quartal 2000 bis zum 1. Quartal 2005 um 26,9 % höher gelegen habe als der Umsatz seiner Praxis. Auch den geltend gemachten Zeitaufwand habe die Beklagte ohne nähere Begründung als falsch gewertet. Die zeitliche Belastung durch ehrenamtliche Tätigkeiten sei angesichts erforderlicher Vor- und Nachbereitungen sowie Fahrzeiten höher als bei einer zeitlich klar abgrenzbaren bezahlten Angestelltentätigkeit. Allein für Gr...