Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Überprüfung einer Arzneimittelausschreibung auf Vergabefehler

 

Orientierungssatz

1. Im Vergabenachprüfungsverfahren im Rahmen einer Arzneimittelausschreibung der Krankenkasse ist durch die Vergabekammer ausschließlich zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten hat. Das sind insbesondere die Regelungen in den Verdingungsordnungen, die das Verfahren betreffenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung sowie weitere ungeschriebene Vergaberegeln, wie das Gebot der Fairness im Vergabeverfahren.

2. Eine Aufteilung in Gebietslose ist dann zulässig, wenn die Ausschreibung wirkstoff- und nicht sortimentsbezogen durchgeführt wird. Damit wird auch kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht über ein großes Produktportfolio verfügen, die Möglichkeit eröffnet, auch nur auf einzelne Wirkstoffe zu bieten.

3. Eine Bezugnahme auf die Lauer-Taxe und die Stichtagsregelung in der Ausschreibung verstößt nicht gegen Vorschriften des Vergaberechts. Der Zugang zur Lauer-Taxe steht allen inländischen wie ausländischen Herstellern mit ihren pharmazeutischen Produkten offen. Sie repräsentiert damit die auf dem deutschen Markt zu Lasten der Krankenversicherung erhältlichen Arzneimittel.

4. Eine Stichtagsregelung ist durch die von den Krankenkassen angestrebte Transparenz gerechtfertigt.

5. Das Gebot der Produktneutralität schließt nicht aus, dass bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und der Nachfrage nach Rabattangeboten an die auf dem Markt anerkannte Lauer-Taxe angeknüpft wird.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 30.01.2009 (VK 3-221/08) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin, die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene zu 1) notwendig war.

 

Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) - ein pharmazeutisches Unternehmen, das u.a. mit dem Vertreib von Generikaprodukten befasst ist - wendet sich gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Arzneimittelrabattausschreibung.

Die Antragsgegnerinnen und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (zunächst) 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen Die Angebotsfrist wurde vom 06.10.2008 auf den 03.11.2008 verlängert. Das Gebietslos 1 umfasst die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca., 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz sowie AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.

Gegenstand der Ausschreibung waren zunächst die folgenden 64 Wirkstoffe:

Alendronsäure

Levodopa + Benserazid

Alfuzosin

Levodopa + Carbidopa

Allopurinol

Lisinopril

Amiodaron

Lisinopril + HCT

Amisulprid

Melperon

Amlodipin

Metformin

Azathioprin

Metoclopramid

Bisoprolol

Metoprolol

Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT)

Metoprolol + HCT

Captopril

Mirtazapin

Captopril + HCT

Molsidomin

Carvedilol

Moxonidin

Cefaclor

Nifedipin

Cefuroxim

Nitrendipin

Ciprofloxacin

Olanzapin

Citalopram

Omeprazol,

Clarithromycin

Paroxetin

Diclofenac

Ramipril

Doxazosin

Ramipril + HCT

Doxepin

Ranitidin

Enalapril

Risperidon

Enalapril + HCT

Roxithromycin

Felodipin

Sertralin

Finasterid

Simvastatin

Furosemid

Spironolacton

Gabapentin

Sumatriptan

Glimepirid

Tamsulosin

HCT

Terazosin

Ibuprofen

Torasemid

Isosorbiddinitrat

Tramadol

Isosorbidmononitrat

Trimipramin

Itraconazol

Verapamil

Im Hinblick auf den Wirkstoff Olanzapin ist die Ausschreibung zwischenzeitlich aufgehoben worden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das für diesen Wirkstoff bestehende Patent wieder hergestellt hat und daraufhin jeglicher Vertrieb von generischem Olanzapin in der Bundesrepublik eingestellt werden musste (Urteil vom 16.12.2008 - X ZR 89/07).

Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen Rabatt-ApU für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der “Lauer-Taxe„ am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 durch Bekanntmachung vom 10.09.2008 - Abl. EG 2008/S 175-23 26 38 - sog. Stichtag) im Sortiment hat. Die “Lauer-Taxe„, auch ABDA-Artikels...

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