Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. keine Übernahme einmalig entstehender Fahrtkosten zur Passbeschaffung. fehlende Rechtsgrundlage im SGB 2. kein Härtefall. keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Asylbewerberleistungen. keine ergänzende Sozialhilfe
Orientierungssatz
1. Für eine Übernahme der Fahrtkosten zur Passbeschaffung als Zuschuss fehlt es im SGB 2 an einer Rechtsgrundlage. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 sind bedarfsdeckend und damit abschließend. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe schließt § 3 Abs 3 S 2 SGB 2 ausdrücklich aus (vgl LSG Essen Beschluss vom 28.7.2010 - L 7 AS 864/10).
2. Voraussetzung für das Vorliegen eines Härtefalles nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175) ist ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger und besonderer Bedarf, an dem es bei der Beantragung der einmaligen Übernahme von Fahrtkosten zur Passbeschaffung fehlt.
3. Die Rechtsprechung zu Asylbewerberleistungen, wonach Passbeschaffungskosten in voller Höhe zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht iS des § 6 Abs 1 S 1 Alt 4 AsylbLG erforderlich sind (vgl LSG Essen Urteil vom 10.3.2008 - L 20 AY 16/07), ist nicht auf das SGB 2 zu übertragen, da die sozialen Sicherungssysteme des AsylbLG und SGB 2 nicht vergleichbar sind, weil sie unterschiedlich ausgestaltet sind und (hinsichtlich der Grundleistungen des § 3 AsylbLG) ein sehr unterschiedliches Leistungsniveau aufweisen (vgl LSG Essen vom 22.7.2010 - L 7 B 204/09 AS).
4. Die Übernahme von Fahrtkosten für eine Passbeschaffung stellt keine besondere, atypische Lebenslage gem § 73 SGB 12 dar (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 15).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 15.03.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) Münster hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 15.03.2010 ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten) zu Recht abgelehnt.
Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass es für eine Übernahme der Fahrtkosten zur Passbeschaffung als Zuschuss an einer Rechtsgrundlage im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) fehlt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehr- bzw. Sonderbedarf gemäß § 21 oder § 23 Abs. 3 SGB II sind nicht erfüllt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB II decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe schließt § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich aus. Damit hat die Gesetzgebung zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bedarfsdeckend und abschließend sind (Landessozialgericht - LSG - NRW, Beschluss vom 28.07.2010, Az.: L 7 AS 864/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 22.07.2010, Az.: L 7 B 204/09 AS; Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, Rdn. 17).
Die Klägerin kann einen solchen Anspruch auch nicht aus dem Grundgesetz (GG) herleiten. Zum einen bedarf ein solcher Anspruch grundsätzlich der legislativen Ausgestaltung. Die Verfassung kann nur den tragenden Grund für eine Leistungsgewährung setzen, (erst) das einfache Recht liefert Inhalt und Schranken der Berechtigung (Seiler, JZ 2010, S. 500, 504). Zum anderen ist eine Leistungsgewährung im vorliegenden Kontext verfassungsrechtlich nicht geboten. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - BGBl. I S. 193) entschieden, dass die Regelleistung des § 20 SGB II nicht denjenigen besonderen, laufenden, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf zu erfassen vermag, der zwar seiner Art nach berücksichtigt wird, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Tritt in Sondersituationen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auf, erweise sich die Regelleistung als unzureichend. Auch hier könnten einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf sei das indessen nicht mehr möglich. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff. SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Anspruch entstehe aber erst, wenn der B...