Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung des Widerrufs einer Approbation
Orientierungssatz
1. Soweit die sofortige Vollziehung eines Bescheides in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl eingreift, gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass Art. 12 Abs. 1 GG einen solchen Eingriff schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zulässt.
2. Wegen der Eingriffsintensität einer sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Approbation sind aber nur solche Gründe ausreichend, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen.
3. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren befürchten lässt.
4. Fehlt im angefochtenen Widerrufsbescheid der Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen bei Opiatabhängigen durch den Vertragsarzt die erforderliche hinreichende Begründung des Widerrufs, so ist mangels deren Nachholbarkeit die aufschiebende Wirkung der Klage bzw. des Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid anzuordnen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.03.2009 abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage (S 33 KA 49/09 SG Düsseldorf) gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.01.2009 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Kläger ist als praktischer Arzt in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zum 01.07.2003 wurde ihm die unbefristete Genehmigung zur Substitution von bis zu 100 Patienten erteilt. Mit Bescheid vom 23.06.2005 widerrief die Beklagte die Substitutionsgenehmigung im Umfang von 20 Opiatabhängigen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Die anhängig gemachte Klage (S 33 KA 61/06 Sozialgericht (SG) Düsseldorf) ruht. Am 12.03.2008 fand eine Überprüfung der Dokumentation von Zugängen, Abgängen und Beständen der Betäubungsmittel durch das Gesundheitsamt der Stadt C statt. In der Niederschrift wurde u.a. festgehalten, dass keine Vernichtungsprotokolle mit der Unterschrift des Antragstellers und von zwei Zeugen vorhanden seien. Weiterhin sei die monatliche Überprüfung der Eintragungen über Zu- und Abgänge und Bestände der Betäubungsmittel sowie die Übereinstimmung der Bestände mit den geführten Nachweisen nicht mit Namenszeichen und Prüfdatum des Verantwortlichen dokumentiert. Dem Kläger wurde aufgeben, diese und weitere im Einzelnen benannten Mängel abzustellen bzw. entsprechende Unterlagen dem Gesundheitsamt der Stadt C vorzulegen. Nachdem der Kläger dem Gesundheitsamt die geforderten Unterlagen zur Verfügung stellte, verfasste das Gesundheitsamt der Stadt C mit Datum vom 06.10.2008 einen Inspektionsbericht nach § 19 Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass beim weiteren Betrieb der Praxis verschiedene, im einzelnen benannte Maßnahmen zu ergreifen und zusätzliche Unterlagen vorzulegen sind.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 widerrief die Beklagte die Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen bei von bis zu 100 Opiatabhängigen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. In der Begründung heißt es u.a., im Inspektionsbericht vom 06.10.2008 seien Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und gegen die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung festgestellt worden. Hieraus folge, dass eine den rechtlichen Vorgaben entsprechende Substitutionsbehandlung nicht stattfinde. Die fachliche Qualifikation sei nicht gegeben. Es sei nicht gewährleistet, dass eine ordnungsgemäße tägliche Dosierung der Patienten stattfinde, wenn die Lagerbestände der Substitutionsmittel nicht korrekt seien bzw. nicht überprüft werden könnten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass mit Restbeständen Handel getrieben werde und dadurch Substitutionspatienten gefährdet würden, da nicht alle Vernichtungserklärungen vorgelegt worden seien.
Mit Schreiben vom 23.12.2008 legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung bei der Beklagten. Hierzu verwies er im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte den Inspektionsbericht des Gesundheitsamtes der Stadt C fehlerhaft und unvollständig gewürdigt habe. Die Schlussfolgerung, die Bestände könnten nicht geprüft werden, sei falsch. Anhand der Dosierlisten sowie der übrigen medizinischen Dokumentation sei nachweisbar, dass keine Patientengefährdung vorliege, er im Gegenteil lege artis behandele. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei unverhältnismäßig, da die Beklagte die Genehmigung erst zehn Wochen nach Kenntnis des Inspektionsprotokolls widerrufen habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch und den Antrag auf Aufhebung des Sofortvollzugs mit Bes...