Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz nach Zahlungseinstellung des Leistungsträgers
Orientierungssatz
1. Die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB 2 i. V. m. § 331 SGB 3 erfolgt ohne Erteilung eines Bescheides. Es wird ein Zurückbehaltungsrecht lediglich statuiert, welches die Fälligkeit des sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebenden Anspruchs aufhebt und nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht zu werden braucht. Infolgedessen richtet sich der einstweilige Rechtsschutz in einem solchen Fall nach § 86 b Abs. 2 SGG, vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 14/10 R.
2. Ungenehmigte Ortsabwesenheit des SGB 2-Leistungsempfängers i. S. von § 7 Abs. 4 a SGB 2 stellt einen Leistungsausschlussgrund dar, vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 166/11 R.
3. Hat der Antragsteller seine Wohnung gekündigt und bereits geräumt, so kann er den erforderlichen Anordnungsgrund zur Bewilligung von Leistungen der Unterkunft durch einstweiligen Rechtsschutz nicht glaubhaft machen. Dies gilt in gleicher Weise für die Bewilligung der Regelleistung, solange ihm ein einfacherer Weg zur Erlangung des Regelbedarfs zur Verfügung steht. Hat er nach erfolgter Zahlungseinstellung beim zuständigen Leistungsträger nicht mehr vorgesprochen und seine persönlichen Verhältnisse geklärt, so ist die Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz mangels eines glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.07.2012 geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Durch Bescheid vom 23.03.2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 674,00 EUR mtl. (374,00 EUR Regelbedarf + 300,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.03. bis 30.11.2012.
Mit Schreiben vom 22.05.2012 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er bis zur Klärung des Sachverhalts - ungenehmigte Ortsabwesenheit des Antragstellers - die laufende Leistung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig einstellen werde. Durch Bescheid vom 29.06.2012 hob der Antragsgegner die Entscheidung vom 23.02.2012 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berufung auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen ungenehmigter Ortsabwesenheit i.S.v. § 7 Abs. 4a SGB II mit Wirkung zum 01.06.2012 auf.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller nach einer Vorsprache am 11.07.2012 den Regebedarf für Juni und Juli 2012 ausgezahlt.
Am 12.06.2012 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Er hat u. a. die Weiterzahlung der durch den Bescheid vom 23.02.2012 bewilligten Leistungen begehrt und eine Rechnung des B Center, N vom 07.06.2012 in Höhe von 1.050,42 EUR vorgelegt.
Durch Beschluss vom 09.07.2012 hat das Sozialgericht Düsseldorf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29.06.2012 angeordnet. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 16.07.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 03.07.2012 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 07.06.2012 den Erlass einer Regelungsanordnung beantragt, mit der der Antragsgegner zur Weiterzahlung der im Bescheid vom 23.02.2012 bewilligten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.06.2012 (a), zur Übernahme angefallener und zukünftiger Umzugskosten (b), zur Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II (c), zur Genehmigung seiner Ortsabwesenheit (d) und zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus dem Mietverhältnis gegenüber seinem Vermieter (e) verpflichtet wird.
1. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist statthaft.
Dies gilt auch hinsichtlich des Antrags, den Antragsgegner zur Weiterzahlung der im Bescheid vom 23.02.2012 bewilligten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.06.2012 zu verpflichten. Damit wendet sich der Antragsteller gegen die vom Antragsgegner vorgenommen vorläufige Zahlungseinstellung hinsichtlich der im Bescheid vom 23.02.2012 bewilligten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.06.2012 nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 331 SGB III.
Der einstweilige Rechtsschutz gegen eine vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 331 SGB III richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach § 86b Abs. 1 SGG, der gegenüber § 86b Abs. 2 SGG vorrangig ist, sondern nach § 86b Abs. 2 SGG (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz bei vorläufigen Zahlungseinstellungen: Kallert in Gagel, SGB II, § 40 Rn 21d). Denn bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 22.05.2012, in dem d...