Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Anordnungsgrund zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Unterkunft bei drohender Obdachlosigkeit durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Übernahme von Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger ist es erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen. Damit ist ein Anordnungsgrund erst bei Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht aus.
2. Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB 2 Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. Hiernach ist das Amtsgericht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger unverzüglich Tatsachen und näher bestimmte Einzelheiten einer Räumungsklage mitzuteilen. Der Grundsicherungsträger soll hierdurch in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist.
3. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begünstigt den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffnet ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind die gesamten Umstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.03.2014 geändert. Der Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II wird abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Den Antragsgegnern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin K, F, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind rumänische Staatsbürger und Eltern der minderjährigen Antragsteller zu 3) und 4). Zum 01.01.2014 bezogen sie eine von der Antragsstellerin zu 1) angemietete Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.
Am 01.01.2014 beantragten die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30.01.2014 ab. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht, weil die Antragsteller nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II als Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Dieser Bescheid in Gestalt des zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 27.02.2014 wurde mit der Klage vom 06.03.2014 angefochten (S 45 AS 631/14).
Am 21.03.2014 haben die Antragsteller die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II beantragt. Sie seien nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft aus Einkommen oder Vermögen zu bestreiten. Das Mietverhältnis sei bereits gekündigt.
Mit Beschluss vom 27.03.2014 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit ab dem 21.03.2014 bis zum 21.09.2014, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Gegen den ihm am 27.03.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 31.03.2014. Der Antragsgegner beruft sich auf den Leistungsausschuss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und meint, insbesondere für die einstweilige Zuerkennung von Leistungen für Unterkunft und Heizung sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Mit Beschluss vom 17.04.2014 ist die Vollstreckung aus dem Beschluss vom 27.03.2014 einstweilen ausgesetzt worden, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erbringen.
Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Beschwerde und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Sie haben ein Schreiben des Vermieters vom 04.03.2014 vorgelegt, wonach das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werde.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, Leistungen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II einstweilen zu erbringen. Hierfür fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG.
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen. Ein Anordnungsgrund ist damit grundsätzlich erst bei Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Selbst eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht aus. Dies ist im Hinblick auf den ges...