Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung (KÄV). Sicherstellungsauftrag. Organisierung und Einrichtung eines ärztlichen Notfalldienstes. Teilnahmeverpflichtung der Vertragsärzte. Beachtung der rechtsstaatlichen Grundsätze durch KÄV. kein Einfluss einer Qualitätssicherungsvereinbarung. sozialgerichtliches Verfahren. Entscheidung über Teilnahmeverpflichtung bzw Befreiung. verschiedene Streitgegenstände
Orientierungssatz
1. Eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ist im Rahmen des ihr obliegenden Sicherstellungsauftrags verpflichtet, den ärztlichen Notfalldienst zu organisieren und einzurichten. Hiermit korrelierend sind Vertragsärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtet und haben diesen ggf in einer Notfallpraxis zu versehen und dort anwesend zu sein (vgl BSG vom 11.5.2010 - B 6 KA 23/10 R = GesR 2011, 487). Gleichermaßen besteht eine Pflicht des Vertragsarztes, nötigenfalls am Fahrdienst teilzunehmen.
2. Die nähere Ausgestaltung des ärztlichen Notfall- bzw Bereitschaftsdienstes fällt in die Zuständigkeit jeder einzelnen KÄV.
3. Bei der Regelung des ärztlichen Notfalldienstes hat die KÄV die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, das Willkürverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
4. Die Regelung in einer Qualitätssicherungsvereinbarung, nach Maßgabe einer definierten Zahl von Patienten eine damit einhergehende Zahl von Ärzten vorzuhalten, hat keinerlei Einfluss auf die Regelung des ärztlichen Notfalldienstes, weil sie damit auch nur ansatzweise nicht vergleichbar ist.
5. Bei der Frage, ob der Vertragsarzt zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtet ist einerseits und andererseits, ob und inwieweit ein Befreiungstatbestand greift, handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, die in zwei getrennten Verfahren zu beurteilen sind.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin zum ärztlichen Notfalldienst.
Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Antragsteller ist als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und berechtigt, die Schwerpunktbezeichnung Nephrologie zu führen. Er ist als Jobsharing-Partner mit vier weiteren Ärzten in einer fachinternistisch - nephrologischen Gemeinschaftspraxis in I tätig. Die Praxis verfügt über eine Nebenbetriebsstätte in C. In beiden Betriebsteilen befindet sich eine Dialyseeinrichtung, deren Öffnungszeiten über die üblichen Sprechstundenzeiten hinausgehen.
Am 05.07.2005 hatten die in vorgenannter Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzte, der Bezirksstellenleiter der Antragsgegnerin und der Notdienstbeauftragte für die Stadt I eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass zwei der in der nephrologischen Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzte in jeweils eine I Notdienstgruppe integriert werden. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass eine dieser Gruppen jeweils nur zweimal pro Jahr zum Notfalldienst eingeteilt wird. Der Gemeinschaftspraxis blieb es freigestellt, welcher der beteiligten Ärzte den Dienst zu verrichten hatte.
Am 26.04.2010 beantragten die Ärzte der Gemeinschaftspraxis die vollständige Befreiung vom Notfalldienst. Die Antragsgegnerin lehnte die Anträge mit Bescheiden vom 25.05.2010 ab. Über die Widersprüche ist bisher nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 17.12.2010 zog die Bezirksstelle I der Antragsgegnerin den Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.01.2012 heran. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid ist der Antragsteller für vier Sitzdienste in einer Notfallpraxis (04.05.2011, 11.06.2011, 26.08.2011 und 26.01.2012) und vier Fahrdienste (13.02.2011, 01.07.2011, 08.11.2011 und 07.01.2012) eingeteilt worden. Der am 10.01.2011 erhobene Widerspruch ist bislang nicht beschieden.
Unter dem 26.01.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Detmold um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 04.02.2011 hat das SG Detmold den Rechtsstreit an das SG Dortmund verwiesen.
Der Antragsteller hat vorgetragen: Die Heranziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 11 Abs. 4 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) vom 11.11.2009/20.03.2010 (GNO) nicht geprüft habe. Da die Heranziehung jeweils eine individuelle Verpflichtung begründe, müsse auch die individuelle Situation gewürdigt werden. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen vor. Besonderheiten der Dialysebehandlung und die ständige Zusammenarbeit mit Transplantationszentren führten dazu, dass...