Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit der beauftragten Institution im Rahmen eines Vergabeverfahrens
Orientierungssatz
1. Die Antragsbefugnis zur Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach § 107 Abs. 2 GWB i. V. m. § 137 a SGB 5 setzt neben dem Interesse des Bieters am Auftrag eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch die Nichtbeachtung bieterschützender Vergabevorschriften voraus. Die fachliche Unabhängigkeit der Institution, der der Auftrag im Rahmen eines Vergabeverfahrens erteilt werden soll, stellt eine bieterschützende Vorschrift i. S. des § 97 Abs. 7 GWB dar.
2. Der Begriff der fachlichen Unabhängigkeit in § 137 a Abs. 1 SGB 5 setzt sich aus den Elementen der Weisungsfreiheit, der organisatorischen Unabhängigkeit, der wirtschaftlichen Unabhängigkeit sowie der Freiheit von Interessenkollisionen zusammen. Diese sind gerichtlich voll nachprüfbar. Die Bestimmung soll gewährleisten, dass das Bestehen sachfremder Interessen des Auftragnehmers sich nicht auf die Erfüllung des Vergabeauftrags auswirkt.
3. Zur Verneinung der fachlichen Unabhängigkeit muss das Bestehen sachfremder Interessen offen zu Tage treten. Es muss nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden können, dass sachfremde Interessen vorliegen und diese einen Einfluss auf die Art und Weise der Erledigung des Vergabeauftrags haben werden.
4. Das Transparenzgebot verlangt, dass sich die Verdingungsunterlagen, soweit sie sich auf die Einbindung bezahlter Fachexperten beziehen, eindeutig und widerspruchsfrei sind.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 15.05.2009 (Az.: VK 2-21/09) wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlich Bevollmächtigten durch den Antragsgegner und die Beigeladene notwendig war.
Gründe
I.
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Ausschreibung zur Vergabe des Auftrags nach § 137a Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der Antrags- und Beschwerdegegner (AG) hat mit Bekanntmachung vom 06.09.2007 (Nr. 2007/S171-210862) die geplante Vergabe von Forschungs-, Entwicklungs- und Beratungsdienstleistungen zur Sicherung der Qualität der Versorgung im Gesundheitswesen nach § 137a Abs. 1 SGB V im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) ist eine gemeinnützige GmbH, die seit Anfang 2001 für den AG die Qualitätssicherung im stationären Bereich durchführt. Die Beigeladene (BG) ist eine GmbH, deren Hauptgesellschafter und Geschäftsführer zugleich Direktor des Instituts für B des Universitätsklinikums I ist; ein weiterer (Minderheits-) Gesellschafter ist Institutsleiter und Professor an der Universität G.
Auf den am 16.10.2007 gestellten Teilnahmeantrag forderte der AG die AS mit Schreiben vom 07.03.2009 zur Abgabe eines Angebots auf. Die diesem Schreiben beigefügte Aufgabenbeschreibung enthielt unter Ziffer 5.4 der Anlage eine nähere Beschreibung der Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit des Auftragnehmers sowie unter Ziffer 4.6 Erläuterungen zur Art und Weise der Einbindung von Fachexperten im Rahmen der Auftragsdurchführung.
Nach (erfolgreichem) Abschluss des Teilnahmewettbewerbs forderte der AG die AS mit Schreiben vom 18.11.2008 auf, bis zum 16.12.2008 ein letztverbindliches Angebot abzugeben. Die Angebotsaufforderung enthielt - unter 2.2.1(V) - hinsichtlich der Beschreibung der Einbindung von Fachexperten und des dafür vorgehaltenen Budgets folgenden Hinweis: "Dabei hat der Bieter zum einen darzulegen, wie und mit welcher Qualifikation er Fachexperten, insbesondere der Patientinnen und Patienten, auswählen will und in welchem Umfang und mit welchem Gewicht diese eingebunden werden sollen. Zum anderen ist gesondert zu beschreiben, welches Budget der Bieter für die Hinzuziehung von Fachexperten in sein Angebot einkalkuliert hat. Dabei sind die Annahmen für diese Kalkulation im Einzelnen zu erläutern. Dies gilt auch dann, wenn der Bieter Fachexperten (im Wesentlichen) auf ehrenamtlicher Basis hinzuziehen will."
Die AS gab am 16.12.2008 ihr Angebot ab.
Durch Schreiben vom 09.02.2009 teilte der AG der AS mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Gebot der BG zu erteilen. Auf das Angebot der AS könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es unter Berücksichtigung der zuletzt mit dem Aufforderungsschreiben vom 18.11.2008 bekanntgegebenen Wertungskriterien nicht die bestmögliche Leistungserbringung gemäß § 16 Abs. 4 der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erwarten lasse.
Die AS hat mit Schreiben vom 11. und 17.02.2009 sowie weiteren Schreiben vom 10.03.2009 und 16.03.2009 die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung - erfolglos - gerügt.
Am 19.02.2009 hat die AS bei der Vergabekammer des Bundes (VK) einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Die VK hat den Nachprüfungsantrag durch...