Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs zur Übernahme von Mietschulden durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Solange ein eventuell Leistungsberechtigter die ihm zumutbaren Möglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, ein erstrebtes Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erlangen, fehlt es an der Notwendigkeit gerichtlichen Eingreifens. Insoweit mangelt es an dem für die Zulässigkeit einer Klage bzw. für die Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
2. Nach § 22 Abs. 8 SGB 2 können Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft übernommen werden. Der zur Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderliche Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht, wenn dem Antragsteller vor Antragstellung ein größerer Geldbetrag zugeflossen ist und er hieraus nicht die Mietrückstände beglichen hat. Hat er stattdessen Anschaffungen getätigt und sich ohne Grund der Gefahr einer fristlosen Kündigung ausgesetzt, so fehlt es an der zur Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.05.2013 geändert und der Antrag der Antragstellerin auf Übernahme von Mietschulden in Höhe von 1.453,50 Euro abgelehnt. Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.06.2013 über die Aussetzung der Vollstreckung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren nur noch um die Übernahme von Mietschulden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die am 00.00.1974 geborene Antragstellerin bewohnt in I unter der Anschrift In der G 00 eine von der W GmbH an sie vermietete Dreizimmerwohnung. Der monatliche Mietzins beträgt zur Zeit 361,50 Euro (Grundmiete 235,50 Euro, Nebenkosten 81,00 Euro, Heizkosten 45,00 Euro).
Am 09.04.2013 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Sie begehrte Leistungen bereits ab Februar 2013, da sie in diesem Monat bereits beim Antragsgegner vorgesprochen habe. Ihrem Antrag fügte die Antragstellerin Bescheide der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 16.04.2013 bei, in denen festgestellt wurde, dass sie grundsätzlich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I (Alg I) habe. In der Zeit vom 01.01.2013 bis 25.03.2013 ruhe der Leistungsanspruch jedoch wegen Eintritts einer Sperrzeit aufgrund von Arbeitsaufgabe sowie in der Zeit vom 26.03.2013 bis 15.04.2013 wegen Eintritts von Sperrzeiten aufgrund von Meldeversäumnissen. Die von der Antragstellerin vorgelegten Kontoauszüge wiesen Überweisungsgutschriften des Kreises S als ehemaligem Arbeitgeber der Antragstellerin in Höhe von 4.886,85 Euro am 07.02.2013 und in Höhe von 322,56 Euro am 28.03.2013 auf, im Übrigen vielfältige Abbuchungen, davon allein am 06.02. und 07.02.2013 Barabhebungen in Höhe von 1.250 Euro und Online-Überweisungen in Höhe von knapp 1.500 Euro. Am 26.04.2013 bestanden Kreditverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 28.678,16 Euro, davon 1.697,19 Euro Überziehungskredit auf dem Girokonto. Zu einer vom Antragsgegner ursprünglich beabsichtigten Bewilligung von Darlehen in Höhe der Regelleistung und Kosten der Unterkunft für die Monate April und Mai 2013 bis zur ersten Auszahlung des Alg I kam es nicht.
Mit Bescheid vom 30.04.2013 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab 05.02.2013 ab, weil Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II nicht gegeben sei. Die am 07.02.2013 zugeflossene einmalige Einnahme sei gem. § 11 Abs. 3 SGB II durch 6 zu dividieren und vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 mit monatlich 784,48 Euro (814,48 Euro abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale) leistungsmindernd zu berücksichtigen. Hinzu komme das ab 16.04.2013 anzurechnende laufende Einkommen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld I - Alg I) in Höhe von 559,50 Euro für den Zeitraum vom 16.04.2013 bis zum 30.04.2013 sowie ab Mai 2013 in monatlicher Höhe von 1.119,00 Euro. Da das Einkommen den Bedarf - 728,50 Euro monatlich - übersteige, bestehe kein Anspruch auf die beantragten Leistungen.
Die Antragstellerin hat am 08.05.2013 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner gestellt und begehrt, ihr sofort Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Sie sei nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bezüglich ihrer Wohnung habe die Vermieterin Räumungsklage erhoben. Sie sei mehrfach bei dem Antragsgegner vorstellig geworden und habe mündlich Anträge gestellt sowie gegen die mündlichen Ablehnungen jeweils mündlich Widerspruch erhoben. Auch gegen die schriftlichen Bescheide habe sie schriftlich Widerspruch eingelegt, leider ohne Erfolg. Von dem ihr zugeflossenen Urlaubsgeld habe ...