Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz- Beschwerdeausschluss. Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGG-Änderungsgesetz) vom 26.3.2008 (BGBl I, 444) gilt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur für Beschwerden in der Hauptsache und nicht für Beschwerden, die sich gegen die Ablehnung der PKH richten.

2. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren liegen hinreichende Erfolgsaussichten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon dann vor, wenn eine gute Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen wird, sein Rechtsstandpunkt also vertretbar und die Beweisführung möglich ist; entfernte Erfolgschancen genügen nicht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers (Bf.) wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 06. Mai 2008 geändert: Dem Bf. wird für das einstweilige Rechtschutzverfahren ab dem 25. April 2008 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt N aus E beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren darüber, ob dem Bf. für seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung PKH zusteht.

Mit Leistungsbescheid vom 24. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. Januar 2008 gewährte die Beschwerdegegnerin (Bg.) dem Bf. ab dem 01. November 2007 bis zum 30. April 2008 Arbeitslosengeld II (347,00 EUR Regelsatz zzgl. Kosten der Unterkunft). Im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung verpflichtete sich der Bf. am 11. Januar 2008, der Bg. bis zum 15. Februar 2008 eine Bewerbungsmappe (aktueller Lebenslauf, aktuelles Bewerbungsfoto, Arbeitszeugnisse, Ausbildungszeugnisse, beispielhaftes Bewerbungsschreiben) vorzulegen.

Mit Sanktionsbescheiden vom 20. Februar 2008 senkte die Bg. die Regelleistung ab dem 01. März 2008 für die Dauer von drei Monaten um 30 vom Hundert (v.H.) auf 243,00 EUR, weil der Bf. die "Bewerbungsunterlagen nicht wie vereinbart bis zum 15.02.2008 eingereicht" habe. Für dieses (Fehl-) Verhalten gebe es keinen "wichtigen Grund".

Dem widersprach der Bf. am 25. Februar 2008 und behauptete, "den Zettel mit den durchgeführten Bewerbungen am 10. oder 11.02.2008 in der job-com abgegeben" zu haben. Die Zeugin U K aus T habe ihn dorthin begleitet und im Auto auf ihn gewartet. Mit Widerspruchsbescheid vom 02. April 2008 wies die Bg. den Widerspruch zurück, weil der Bf. die Abgabe der Bewerbungsunterlagen nicht belegt habe.

Dagegen hat dieser am 15. April 2008 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen (S 9 AS 35/08) Klage erhoben und zwei Tage später um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht. Im Eilverfahren hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und ihm PKH zu gewähren. Gleichzeitig hat er eidesstattlich versichert, die Bewerbungsunterlagen "mit Frau K am 10. oder 11.02.2008 ... bei der Job-Com direkt am Empfang abgegeben" zu haben. Aufgrund des Sanktionsbescheids könne er seine Wohnungsmiete nicht mehr bezahlen, so dass die Kündigung drohe. Da er fällige Bußgelder nicht begleichen könne, drohe ihm die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe.

Mit Beschluss vom 06. Mai 2008 hat es das SG abgelehnt, dem Bf. PKH zu bewilligen und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen: Der angefochtene Sanktionsbescheid sei "offensichtlich rechtmäßig". Denn der Bf. könne mit seiner eidesstattlichen Versicherung nicht beweisen, dass er seine Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung erfüllt habe. Im Übrigen biete sein Vortrag "keinerlei Ermittlungsansätze".

Dagegen hat der Bf. am 09. Mai 2008 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass die Zeugin K seinen Sachvortrag bestätigen könne. Diesem Beweisangebot müsse das SG nachgehen.

II.

Die zulässige (A.) Beschwerde ist begründet (B.).

A. Die Beschwerde ist gem. § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und damit zulässig. Nach dieser Vorschrift findet gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit das SGG nichts anderes bestimmt. Der angefochtene Beschluss, den der Kammervorsitzende erlassen hat, ist somit beschwerdefähig. Die Beschwerde ist weder nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG (1.) in der Fassung (n.F.) des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGG-Änderungsgesetz) vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) noch nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887) ausgeschlossen (2.):

1. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schließt § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG die Beschwerde aus, wenn die Berufung in der Hauptsache unzulässig wäre. Da der Wert des Beschwerdegegenstandes vorliegend (312,00 EUR = 3 x 104,00 EUR) die Berufungssumme von 750,00 EUR nicht überste...

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