Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgenabwägung bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 an die ausländische Ehefrau eines deutschen Ehemannes bei deren Nachzug durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Familienangehörige, die zu einem sich im Bundesgebiet länger aufenthaltsberechtigten Ausländer einreisen, werden vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 nicht erfasst. Ob dies auch im Fall des Nachzugs eines ausländischen Familienangehörigen zu dem deutschen Ehepartner zu gelten hat, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Ebenso ist umstritten, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 2 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtskonform ist.

2. Bei der im einstweiligen Rechtsschutz anzustellenden Folgenabwägung zur Frage, ob der ausländischen Ehefrau eines deutschen Ehemannes im Falle des Nachzugs Leistungen des SGB 2 zu bewilligen sind, ist die Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nach Art. 6 GG zu berücksichtigen. Werden ihr darlehensweise Grundsicherungsleistungen darlehensweise durch einstweiligen Rechtsschutz gewährt, so ist einerseits das Existenzminimum gesichert und andererseits die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen.

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.11.2009 geändert. Der Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 3) wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt C beigeordnet. Die Beschwerde des Antragstellers zu 1) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) sind begründet. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers zu 1) ist unbegründet.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) hat hinreichende Erfolgsaussicht geboten. Sie haben die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 20.08.2009 begehrt. Zwar ist ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vor der Antragstellung bei Gericht am 05.10.2009 nicht gegeben, da in der Regel kein Anordnungsgrund bei Geldleistungen für die Vergangenheit besteht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn 29a mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Hinsichtlich des Zeitraums ab dem 05.10.2009 hat jedoch hinreichende Erfolgsaussicht bestanden. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Nach summarischer Prüfung sind Anordnungsanspruch und -grund im Sinne hinreichender Erfolgsaussicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) haben nicht über die finanziellen Mittel zur Sicherung ihrer Existenz verfügt. Sie haben kein Erwerbseinkommen erzielt. Ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren ist ihnen nicht zumutbar gewesen.

Die Antragstellerin zu 2), die nach § 7 Abs. 3 Nr. a SGB II als Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1) bildet, erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist 30 Jahre alt. Sie ist hilfebedürftig gewesen, da sie über kein Einkommen und Vermögen verfügt hat. Bedenken gegen die Erwerbsfähigkeit nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, 8 SGB II bestehen nicht, da ihr in der nach § 28 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilten Aufenthaltserlaubnis entsprechend § 28 Abs. 5 AufenthG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet wurde. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik.

Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Ungunsten der Antragstellerin zu 2) eingreift, ist nach summarischer Prüfung der Rechtslage offen. Die Ausschlussgründe des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Ob die Antragstellerin zu 2) dem Leistungsausschluss des

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