Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz bei Nachzug eines ausländischen Familienangehörigen zwecks Familienzusammenführung
Orientierungssatz
1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 2 sind von den Leistungen des SGB 2 Ausländer ausgenommen, die weder in der BRD Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund von § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts.
2. Mit seinem Urteil vom 30.1. 2013 hat das BSG zumindest partiell entschieden, dass Drittstaatsangehörige, die als Familienangehörige eines Deutschen in die BRD einreisen, in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts nicht von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen sind.
3. Wegen des auch für einen Ausländer geltenden Schutzes nach Art. 6 GG spricht Vieles für eine umfassende einschränkende Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 2 im Fall des Nachzugs eines ausländischen Familienangehörigen zwecks Familienzusammenführung.
4. Der Familiennachzug ist in §§ 27 ff. AufenthG abschließend geregelt. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist auf Ehepartner, Kinder und Eltern eines deutschen Staatsangehörigen beschränkt. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft wird von den Regelungen nicht erfasst.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 21.02.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe des Regelbedarfs nach dem SGB II ab dem 28.01.2014 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 30.04.2014 zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus C beigeordnet. Kosten diesbezüglich sind nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab 24.02.2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus C gewährt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Bezug auf den Regelbedarf nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und hier insbesondere über die Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II greift. Die die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte des Antragsgegners lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf die Ausführungen im Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 21.02.2014 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - ).
2. Die Antragstellerin hat zunächst den Anordnungsgrund gemäß § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht. Als Anordnungsgrund verlangt das Gesetz gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG für die Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile. Das Eilverfahren dient der Vermeidung unzumutbarer Folgen oder irreparabler Schäden. Dies ist dann der Fall, wenn einem Antragsteller unter Berücksichtigung auch der im Streit befindlichen öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Im Hinblick auf den begehrten Regelbedarf ist der Anordnungsgrund zu bejahen.
3. Dem Gericht ist im Übrigen hinsichtlich des Anordnungsanspruchs eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, daher war im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin zu entscheiden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ-RR 2001, S. 694 (695)). Im Rahmen der Folgenabwägung waren der Antragstellerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Hinblick auf den Regelbedarf zu bewilligen. Die Kriterien für eine stattgebende Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen der Folgenabwägung näher konkretisiert (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Das Gericht hat hierzu ausgeführt, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeits...