Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht des obsiegenden beigeordneten Rechtsanwalts bei bewilligter Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Geltendmachung seiner Gebühren
Orientierungssatz
1. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG kann sich der Beklagte gegenüber dem Kläger als Dritter i. S. von § 15a Abs. 2 RVG darauf berufen, dass die für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
2. Der Rechtsanwalt hat ein Wahlrecht, ob er wegen seiner Vergütung zuerst die erstattungspflichtige Gegenpartei oder zuerst die Staatskasse in Anspruch nehmen will oder beide nur zu einem Teil. Der Gesamtbetrag darf seine gesetzliche Vergütung jedoch nicht übersteigen.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.04.2019 wird zurückgewiesen.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung streitig.
Mit Bescheid vom 02.12.2016 in der Gestalt des Wiederspruchbescheides vom 02.03.2017 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 18.11.2016 auf Gewährung eines Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 2 SGB II ab. Die Klägerin war im Widerspruchsverfahren durch den Beschwerdeführer vertreten.
Am 20.03.2017 erhob die Klägerin, vertreten durch den Beschwerdeführer, Klage.
Mit Beschluss vom 20.10.2017 bewilligte das Sozialgericht Köln der Klägerin Prozesskostenhilfe und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Schriftsatz vom 13.03.2018 erklärte der Beschwerdeführer das Verfahren für erledigt.
Mit Beschluss vom 10.07.2018 stellte das Sozialgericht Köln fest, dass der Beklagte die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt.
Die Klägerin, vertreten durch den Beschwerdeführer, beantragte am 30.07.2018 nach § 197 SGG die Festsetzung der Kosten für das Vorverfahren i.H.v. 199,40 EUR und zwar wie folgt:
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Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG |
300,00 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
60,80 EUR |
Summe |
= 380,80 EUR |
Hiervon 50 % |
190,40 EUR |
Mit Schreiben vom 14.09.2018 teilte der Beklagte mit, dass er die außergerichtlichen Kosten in beantragter Höhe angewiesen hat.
Am 30.07.2018 hat der Beschwerdeführer die festgesetzte Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von insgesamt 291,55 EUR beantragt und zwar wie folgt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
300,00 EUR |
Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG |
-75,00 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
46,55 EUR |
Summe |
= 291,55 EUR |
Am 13.08.2018 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung auf insgesamt 202,30 EUR festgesetzt. Er hat auf die Verfahrensgebühr i.H.v. 300,00 EUR einen Betrag i.H.v. 150,00 EUR angerechnet.
Am 16.08.2018 hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Er wendet sich gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr i.H.v. 150,00 EUR auf die Verfahrensgebühr. Zahlungen auf die Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren auf die Verfahrensgebühr seien nur anzurechnen, soweit sie tatsächlich erfolgt seien. Dies folge aus § 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG. Danach habe der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlungen auf etwaige anzurechnen Gebühren geleistet worden seien, wie hoch diese Gebühren seien und aus welchem Wert sie entstanden seien. Durch diese Angaben solle der Festsetzung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die benötigt werden, um zu ermitteln, in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 RVG auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln seien. § 55 Abs. 6 RVG sehe schließlich Sanktionen gegen den Rechtsanwalt für den Fall vor, dass er zu "empfangenen Zahlungen" gegenüber dem Urkundsbeamten keine Erklärung abgegeben habe. Damit sei ersichtlich, dass bei der Vergütungsfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen seien. Denn anderenfalls bedürfe es der Angabe, welche Zahlung der Rechtsanwalt empfangen habe, nicht.
Diese Auslegung trage auch dem Umstand Rechnung, dass mit der durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz neugefassten Vorbemerkung zum Teil 3 Abs. 4 VV RVG nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen können, eine echte Anrechnungslösung eingeführt worden sei. Dies habe zur Folge, dass die Anrechnungsregel des § 15a Abs. 1 RVG zur Anwendung komme. Diese sehe ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwaltes hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor. Der Rechtsanwalt könne demnach, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere vorsehe, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Entsprechend der gesetzgeberischen Intention werde dem Rechtsanwalt hierbei die volle Wahlfreiheit gelassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern wolle und welche er in Folge der Anrechnung beschränkt verlange. Dies gelte auch dann, wenn der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet sei. Da vorliegend nur eine hä...