Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen im sozialgerichtlichen Eilverfahren. Zulässigkeit der Glaubhaftmachung einer Hilfebedürftigkeit durch Eidesstattliche Versicherung. vorläufige Leistungsgewährung an EU-Ausländer
Orientierungssatz
1. Im Eilverfahren über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kann die Hilfebedürftigkeit auch durch eine Eidesstattliche Versicherung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachgewiesen werden.
2. Die Frage des zulässigen Ausschlusses von EU-Ausländern von den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 kann aufgrund seiner Komplexität im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht entschieden werden, so dass im Rahmen der Entscheidung über die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen an einen EU-Ausländer eine Folgenabwägung vorzunehmen ist.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.05.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) vorläufig für den Zeitraum vom 15.04.2014 bis zum 30.09.2014 den Regelbedarf nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Anrechnung des überschießenden Kindergeldes für den Antragsteller zu 2) sowie des Einkommens aus Elterngeld für die Monate April bis August 2014 zu gewähren. Der Antragstellerin zu 1) wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus C beigeordnet. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1) in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu tragen. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
Die Beschwerden der Antragsteller sind teilweise begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5,237 = NVwZ 2005, Seite 927¸ Keller in: Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86 b Rn. 29 a).
Der Antragsteller zu 2) hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Hilfebedürftigkeit kann für ihn nicht bejaht werden, da er seinen Bedarf aus eigenem Einkommen sichern kann.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Der Bedarf des Antragstellers zu 2) beträgt nach § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit Nr. 5 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2014 229,- Euro. Hiervon sind das Einkommen des Antragstellers zu 2) in Höhe des Kindergeldes (184,- Euro) sowie der Unterhalt des Vaters in Höhe von 100,- Euro abzuziehen. Damit verbleibt ein überschießendes Einkommen in Höhe von 55,- Euro.
Die Antragstellerin zu 1) hat ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat diese mittels Fax am 29.04.2014 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass sie nicht in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Auch im Beschwerdeverfahren hat diese nach Aufforderung durch den Senat eine eidesstattliche Versicherung sowie aktuelle Kontoauszüge vorgelegt. Aus der aktuellen eidesstattlichen Versicherung ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 1) lediglich über Elterngeld in Höhe von monatlich 300,- Euro sowie Kindergeld in Höhe von monatlich 184,- Euro verfügt.
Der Bedarf der Antragstellerin zu 2) beläuft sich auf 598,23 Euro (391,- Euro Regelbedarf zzgl. 66,47 Euro Mehrbedarf für werdende Mütter sowie zzgl. 140,76 Euro Alleinerziehendenzuschlag). Dem stehen ein Einkommen in Form des Elterngeldes in Höhe von monatlich 300,- Euro bis einschließlich August 2014 und der überschießende Teil des Kindergeldes in Höhe von 55,- Euro abzüglich der Versicherungspauschale von 30,- Euro monatlich, also insgesamt 325,- Euro gegenüber. Ab September ...