Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittelrabattvertrag. Vergabenachprüfungsverfahren. Rüge von Vergabefehlern durch den pharmazeutischen Hersteller

 

Orientierungssatz

1. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen den Abschluss von Rahmenverträgen in der Form von Rabattverträgen zwischen einem pharmazeutischen Unternehmen und einer Krankenkasse. Der Abschluss solcher Vereinbarungen stellt für die Krankenkassen das einzige Instrument dar, die ihnen gesetzlich eingeräumte Möglichkeit des Abschlusses von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB 5 praktisch umzusetzen.

2. Es ist vergaberechtlich zulässig, Rahmenrabattverträge mit nur einem Vertragspartner zu schließen. Die Berücksichtigung mehrerer Bieter ist vergaberechtlich nicht zwingend geboten.

3. Eine Aufteilung in Gebietslose unterliegt keinen Bedenken. Die für die Entscheidung des Loszuschnittes tragenden Gründe müssen schlüssig und dokumentiert sein. Eine von vornherein bestehende Verpflichtung zur Loslimitierung besteht nicht. Die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe und die Stichtagsregelung verstößt nicht gegen Vorschriften des Vergaberechts.

4. Sind in der Ausschreibung die Anforderungen an die Leistung und Lieferung so genau gefasst, dass diese den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen, so ist das Gebot der Produktneutralität gewahrt.

5. Die Nachforderung von Eignungsnachweisen in den Verdingungsunterlagen ist nur dann zulässig, wenn sich der Auftraggeber die Nachforderung in der Vergabebekanntmachung vorbehalten hat.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 18.03.2009 (VK 3-55/09) wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin und die Beigeladene wird für notwendig erklärt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) - ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf den Gebieten Marketing und Vertrieb von Generikaprodukten tätig ist - wendet sich im Rahmen eines Feststellungsbegehrens nach Zuschlagerteilung gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Arzneimittelrabattausschreibung.

Die Antragsgegnerin (AG) hat gemeinsam mit weiteren AOK en den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 000) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung waren nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen (Angebotsfrist: 03.11.2008). Das Gebietslos 1 umfasste die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca. 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz sowie AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.

Gegenstand der Ausschreibung waren zunächst die folgenden 64 Wirkstoffe:

Alendronsäure Levodopa + Benserazid Alfuzosin Levodopa + Carbidopa Allopurinol Lisinopril Amiodaron Lisinopril + HCT Amisulprid Melperon Amlodipin Metformin Azathioprin Metoclopramid Bisoprolol Metoprolol Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT) Metoprolol + HCT Captopril Mirtazapin Captopril + HCT Molsidomin Carvedilol Moxonidin Cefaclor Nifedipin Cefuroxim Nitrendipin Ciprofloxacin Olanzapin Citalopram Omeprazol, Clarithromycin Paroxetin Diclofenac Ramipril Doxazosin Ramipril + HCT Doxepin Ranitidin Enalapril Risperidon Enalapril + HCT Roxithromycin Felodipin Sertralin Finasterid Simvastatin Furosemid Spironolacton Gabapentin Sumatriptan Glimepirid Tamsulosin HCT Terazosin Ibuprofen Torasemid Isosorbiddinitrat Tramadol Isosorbidmononitrat Trimipramin Itraconazol Verapamil

Im Hinblick auf den Wirkstoff Olanzapin musste die Ausschreibung aufgehoben werden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das für diesen Wirkstoff bestehende Patent wieder hergestellt hatte und der Vertrieb von generischem Olanzapin in der Bundesrepublik daraufhin eingestellt werden musste (Urteil v. 16.12.2008 - X ZR 89/07).

Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen Rabatt-ApU für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01.08.2008 (im Laufe des Ausschreibu...

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