Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung wegen eines Verfahrensmangels
Orientierungssatz
1. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Hierzu zählt u. a. eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts nach § 103 SGG.
2. Ein Verstoß gegen § 103 SGG setzt voraus, dass sich das Sozialgericht unabhängig von einem Beweisantrag zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen.
3. Ist nach dem gesamten Vortrag des Klägers nicht ersichtlich, dass sich dem Gericht zum geltend gemachten Antrag rechtlich relevante Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, so ist die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht zulässig.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.05.2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 576,87 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 29.05.2018 ist nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt vorliegend 750,00 EUR nicht. Die Berufung betrifft auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr. Strittig ist ein (einmalig) aufgerechneter Betrag i.H.v. 576,87 EUR.
Die Berufung wäre gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abwiche und auf dieser Abweichung beruhte (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht würde und vorläge, auf dem die Entscheidung beruhen könnte (Nr. 3).
Keiner dieser enumerativen Zulassungsgründe liegt vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Diese liegt nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das kann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist bzw. wenn von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist. Die Weiterentwicklung des Rechts wird dabei gefördert, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesvorschriften aufzustellen oder Lücken zu füllen oder wenn die Entscheidung Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Sachverhalte geben kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, 2017, § 144 Rn. 28 und § 160 Rn. 6 ff.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Weder hat die Beklagte eine in dem vorgenannten Sinn klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgezeigt, noch liegt eine solche vor.
Das Urteil des SG vom 29.05.2018 weicht auch nicht von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG, mithin ein Verstoß gegen eine das sozialgerichtliche Verfahren regelnde Vorschrift (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 144 Rdn. 32), liegt ebenfalls nicht vor. Das Vorbringen der Beklagten trägt die Behauptung einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht.
Die Zulassung eines Rechtsmittels wegen Verstoßes gegen die Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG), würde voraussetzen, dass das SG sich - unabhängig von einem Beweisantrag - zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.02.2014 - L 12 AS 1208/13 NZB -; LSG Hessen, Beschluss vom 18.08.2014 - L 4 KA 52/12 NZB -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.12.2009 - L 10 AS 1717/09 NZB -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 144 Rn. 32a).
Das war nicht der Fall und lässt sich auch nicht aus dem Vorbr...