Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzureichende Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren seitens des Leistungsträgers führt zu dessen Erstattungspflicht der Kosten des Rechtsstreits. unzureichende Mitwirkung des Leistungsberechtigten im Verwaltungsverfahren bewirkt dessen Kostenerstattungspflicht
Orientierungssatz
1. Kommt der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens nicht in hinreichendem Maße nach und im Gerichtsverfahren werden Tatsachen aufgrund von Ermittlungen des Gerichts festgestellt, die, wenn sie bereits von dem Leistungsträger ordnungsgemäß geprüft worden wären und von diesem hätten geprüft werden können, zu einer anderen als der angefochtenen Entscheidung geführt hätten, sind dem Leistungsträger aufgrund des Veranlassungsprinzips die Kosten des Rechtsstreits unabhängig von dem Umfang des Obsiegens des Leistungsberechtigten aufzuerlegen.
2. Gleiches gilt im umgekehrten Fall für den Leistungsberechtigten, wenn dieser seinen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28. November 2005 geändert.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 02.01.2006), ist begründet. Die Beklagte hat dem Kläger seine erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn - wie hier - das Verfahren anders als durch Urteil beendet worden ist. Dabei ist einerseits der vermutete Verfahrensausgang maßgebend, andererseits, ob einer der Beteiligten Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 Rn. 12 b). Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte schon deshalb das Verfahren veranlasst, weil sie entgegen der ihr nach § 20 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) obliegenden Amtsermittlungspflicht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht selbst ermittelt, sondern darauf vertraut hat, der Kläger verstehe den Hinweis auf Seite 1 am Ende des angefochtenen Bescheides vom 31.03.2005.
Nach dieser Vorschrift ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Danach hat sie bereits für ihre Verwaltungsentscheidung alle entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln (von Wulffen/ders., SGB X, 5. Aufl 2005, § 20, Rdnr. 3 mwN). Hierzu zählt auch, den Kläger zum Vorliegen der in § 8 Abs 2 Satz 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) genannten Tatsachen konkret zu befragen. Dies hat sie unterlassen. Sie konnte, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht darauf vertrauen, dass der unvertretene Kläger von sich aus den nicht eindeutig formulierten Hinweis im angefochtenen Bescheid versteht. Wenn sie die daraufhin übersandten Unterlagen - wie hier - für nicht aussagekräftig genug erachtete, war sie vor einer Entscheidung in der Sache gehalten, konkret, u.U. auch unter Hinweis auf die nach den §§ 60 f. SGB I (vgl hier insbesondere § 66 SGB I), bestehenden Mitwirkungspflichten hinzuweisen und dem Kläger mitzuteilen, welche Unterlagen sie für ihre Entscheidung konkret noch benötigt. Nichts anderes folgt aus § 11 Abs 2 KSVG. Nach dieser Vorschrift sind die erforderlichen Angaben "auf Verlangen" zu machen.
Kommt danach der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens nicht in hinreichendem Maße nach und im Gerichtsverfahren werden - wie hier - Tatsachen aufgrund von Ermittlungen des Gerichts festgestellt, die, wenn sie bereits von dem Leistungsträger ordnungsgemäß geprüft worden wären und von diesem hätten geprüft werden können, zu einer anderen als der angefochtenen Entscheidung geführt hätten, sind dem Leistungsträger aufgrund des Veranlassungsprinzips die Kosten des Rechtsstreits unabhängig von dem Umfang des Obsiegens des Leistungsberechtigten aufzuerlegen. Gleiches gilt im Übrigen im umgekehrten Fall, wenn der Leistungsberechtigte - wofür im hier zur Entscheidung stehenden Fall keine Anhaltspunkte erkennbar sind - seinen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist.
Soweit schließlich der Kläger seine Kosten nur pauschal (20,- EUR) beziffert, ist dies nicht Gegenstand der hier zu treffenden Kostengrundentscheidung, sondern ggf. Gegenstand eines sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens, § 197 SGG.
Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Fundstellen