Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren. Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. § 73a Satz 1 SGG zielt darauf ab, das Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse trotz unterschiedlicher Prozessordnungen für Verfahren nach dem SGG und der ZPO einheitlich zu regeln. Das Verfahren nach § 55f. RVG ist daher grundsätzlich unabhängig vom Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO und nach § 197 SGG. Die über § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit entspricht auch der nach § 151 VwGO geübten verwaltungsgerichtlichen Praxis.
2. Die Nr 3103 VV RVG geht als Spezialvorschrift der Nr 3102 VV RVG vor, wenn der Anwalt im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren tätig gewesen ist.
3. Die Nr 3103 VV RVG ist auch anwendbar, wenn auf das Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2007 - L 1 B 467/06 SK).
4. Im Rahmen der Nr 3102 VV RVG, Nr 3103 VV RVG sind alle Kriterien des § 14 RVG zu prüfen. Dem Rechtsanwalt steht gemäß § 14 RVG bei der Bestimmung der Gebühr ein Ermessensspielraum zu, mit der Folge, dass in den Fällen, in denen die Bestimmung des Anwalts die nach Ansicht des Gerichts angemessene Gebühr um nicht mehr als 20% übersteigt, noch keine Unbilligkeit vorliegt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 - L 7 N 36/07 AS).
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren für ein von den Antragstellern beim Sozialgericht geführtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der Antragstellerin zu 1) waren mit Bescheid vom 24.01.2007 für den Zeitraum Februar bis Juli 2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buchsozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 376 EUR bewilligt worden. Mit Widerspruch vom 07.02.2007 (Schreiben vom 02.02.2007) machte die Antragstellerin zu 1) geltend, ihr während der Woche in einem Internat untergebrachter Sohn, der Antragsteller zu 2), zähle zur Bedarfsgemeinschaft. Das Kindergeld für ihren Sohn und Unterhaltszahlungen von dessen Vater seien nicht als Einkommen der Antragstellerin zu 1) zu berücksichtigen. Das mit Schreiben vom selben Tage bereits am 06.02.2007 anhängig gemachte sozialgerichtliche Eilverfahren haben die Antragsteller am 02.03.2007 für erledigt erklärt, nachdem mit Bescheid vom 12.02.2007 für den Monat Februar 2007 Leistungen in Höhe von 653 EUR, für den Monat März 2007 in Höhe von 611,54 EUR und den Zeitraum April bis Juli 2007 in Höhe von monatlich 591 EUR bewilligt worden waren. Die Antragsteller hatten in der Antragsschrift ihren monatlichen Leistungsanspruch selbst mit 802 EUR beziffert. Mit Beschluss vom 19.03.2007 hat das Sozialgericht den Antragstellern Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin N beigeordnet.
Am 02.03.2007 haben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte sinngemäß die Festsetzung deren Vergütung ausgehend von
einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300 EUR, einer Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 190 EUR, der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 EUR sowie der Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 96,90 EUR
mit einem Gesamtbetrag von 606,90 EUR beantragt und zur Begründung ausgeführt, der Ansatz der Verfahrensgebühr oberhalb der Mittelgebühr sei aufgrund der besonderen Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin zu 1) berechtigt.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.04.2007 auf 372,88 EUR festgesetzt mit der Begründung, es habe sich um ein durchschnittliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehandelt, so dass die Gebühren auf 2/3 zu kürzen seien. Für das in Dauer, Umfang und Komplexität unterdurchschnittliche Verfahren könnten nur unterdurchschnittliche Gebühren festgesetzt werden. Mit ihrer hiergegen gerichteten Erinnerung vom 14.04.2007 haben die Antragsteller ausgeführt, die Antragstellerin zu 1) habe aus den ursprünglich bewilligten Leistungen nicht einmal ihre Mietverpflichtungen begleichen können. Der Lebensunterhalt sei nicht mehr gesichert gewesen. Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei keineswegs unterdurchschnittlich gewesen; das Beratungsgespräch im Vorfeld habe 45 Minuten gedauert, zudem seien wiederholt telefonische Anfragen der Antragstellerin zu 1) zu beantworten gewesen.
Mit Beschluss vom 18.04.2007 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten habe sich auf das Fertigen einer Antragsschrift von zweieinhalb Seiten beschränkt, und das Verfahren sei bereits nach etwa...