Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderungen an die Bestimmtheit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheides bei der Bestimmung von Pflichten zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit

 

Orientierungssatz

Eine Bestimmung in einem die Eingliederungsvereinbarung mit einem Grundsicherungsempfänger ersetzenden Verwaltungsakt, mit dem der Grundsicherungsempfänger verpflichtet wird, alle verfügbaren Möglichkeiten zur Initiative zu nutzen, um die Hilfebedürftigkeit zu beenden, ist hinsichtlich der Eigenbemühungen nicht hinreichend bestimmt. Eine hinreichende Bestimmung setzt vielmehr voraus, dass der Adressat den Umfang seiner Pflichten eindeutig erkennen kann, so dass insbesondere konkrete Angaben zur Anzahl der erwarteten eigenen Bewerbungen und zu den erwarteten Formen der Eigeninitiative in den Bescheid aufzunehmen sind.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.06.2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 03.05.2014 gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 30.04.2014 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 12.06.2014 ist zulässig und begründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt dann in Betracht, wenn der in Streit stehende Bescheid des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig ist oder aber hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen des Antragsgegners eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller darstellt. Die Tatsachen sind vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft zu machen, § 86b SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordung (ZPO).

Der Widerspruch des Antragstellers vom 03.05.2014 gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 30.04.2014 hat gem. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen vor, denn es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 30.04.2014.

Der Bescheid ist bezüglich der in Ziffer 1. - Bemühungen von Herrn G zur Eingliederung in Arbeit - geregelten Pflichten des Antragstellers nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Bestimmtheit macht erforderlich, dass der Betroffene aus der gewählten Formulierung schlüssig nachvollziehen kann, was von ihm erwartet wird und welche Konsequenzen sich aus einer Pflichtverletzung ergeben (LSG NRW, Beschluss vom 23. August 2013 - L 7 AS 1398/13 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2013 - L 7 AS 40/13 B; Pattar in: jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 19). Inhaltlich hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt dann, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 11 RAr 43/96).

Unter Ziffer 1 regelt der Verwaltungsakt auch die Eigenbemühungen. Dort heißt es wörtlich:

"Ich bin darüber informiert, dass zur Minderung bzw. Beendigung meiner Hilfebedürftigkeit initiativ alle verfügbaren Möglichkeiten zu nutzen sind. Solche Bemühungen, die über die bloße Inanspruchnahme der Beratung- und Vermittlungsdienste des Jobcenters P hinausgehen, sind zwingende Voraussetzung für den Leistungsanspruch."

In der Rechtsfolgenbelehrung weist der Antragsgegner unter anderem darauf hin, dass der erstmalige Verstoß gegen eine der in Nr. 1 mit dem Antragsteller vereinbarten Eingliederungsbemühungen zur Minderung des Regelbedarfs von 30 % führt.

Die vom Antragsteller erwarteten Eigenbemühungen sind nicht klar umrissen. Der Verwaltungsakt vom 30.04.2014 schafft hinsichtlich der vom Antragsteller erwarteten Eigenbemühungen eine umfassende Pflicht zur Abgabe von Initiativbewerbungen, um die Hilfebedürftigkeit zu mindern oder zu beenden. Es bleibt unklar, was vom Antragsteller erwartet wird. Es ist unklar, welche Erkenntnisquellen der Antragsteller heranziehen muss. Unklar bleibt auch, was es bedeuten soll, dass alle verfügbaren Möglichkeiten zu nutzen sind. Es ist nicht klar, ob der Antragsteller über die Verpflichtung hinaus, sich initiativ zu bewerben, noch weitere, unbenannte Möglichkeiten ausschöpfen muss. Hinsichtlich der Initiativbewerbungen lässt der Verwaltungsakt offen, wie viele Bewerbungen der Antragsteller in welchem Zeitraum schreiben muss und welchen Nachweis er zu führ...

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