Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an den Inhalt von Eingliederungsvereinbarung oder Eingliederungsverwaltungsakt. Verpflichtung zu Eigen- bzw Bewerbungsbemühungen. Vorlage von Nachweisen. Mitwirkungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns muss die Eingliederungsvereinbarung bzw der ersetzende Verwaltungsakt konkrete und bestimmbare Pflichten beider Vertragspartner beinhalten. Die dem Hilfebedürftigen abverlangten Eingliederungsbemühungen müssen nach Art, Umfang, Zeit und Ort so konkret sein, dass die abverlangte Handlung ohne Weiteres festgestellt werden kann.
2. Die Verpflichtung, mindestens drei Eigenbemühungen pro Kalendermonat zu erbringen, ist nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Nachweise resultiert aus der allgemeinen Mitwirkungspflicht des Betroffenen gem § 60 Abs 1 SGB 1, alle für eine Entscheidung des Leistungsträgers erforderlichen Tatsachen vorzutragen.
Normenkette
SGB I § 60 Abs. 1; SGB II §§ 2, 15 Abs. 1 Sätze 1-2, 6, § 39; SGB X § 33
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid des Antragsgegners.
Der 1980 geborene Antragsteller steht im Leistungsbezug des Antragsgegners. Dieser bewilligte ihm mit Bescheid vom 20.03.2015 (Bl. 36 Verwaltungsakte ≪VA≫) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 399,00 € für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 30.09.2015.
Der Antragsteller verweigerte es, die ihm am 19.05.2015 (Bl. 18 Gerichtsakte ≪GA≫) ausgehändigte Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.
Der Antragsgegner ersetzte die Eingliederungsvereinbarung durch Bescheid vom 24.06.2015 (Bl. 8 GA). Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 29.06.2015 (Bl. 6 GA).
Am 03.07.2015 hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Der Bescheid greife in seine Grundrechte ein, sei zum Teil widersprüchlich formuliert und zu unbestimmt. Daher sei er nichtig.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.07.2015 abgelehnt. Der Antrag sei zulässig, weil der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 24.06.2015 gemäß § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung habe. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Es überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse, weil der Bescheid vom 24.06.2015 nach vorläufiger Prüfung rechtmäßig sei. Der Antragsgegner habe in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt, nachdem eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Antragsteller nicht zustande gekommen sei. Die Pflichten des Antragstellers seien darin hinreichend bestimmt, denn das ihm abverlangte Verhalten sei nach Maßgabe des Empfängerhorizonts des Antragstellers unzweifelhaft erkennbar.
Auch inhaltlich seien die Regelungen nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller verlangten Eigenbemühungen begegneten keinen Bedenken. Der Antragsteller sei gemäß § 2 SGB II verpflichtet, eigenverantwortlich alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Dauer sowie des Umfanges der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitzuwirken, um den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten zu können. Dies sei eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht. Der 1980 geborene Antragsteller habe nach dem angegriffenen Bescheid im Zeitraum von Juni 2015 bis November 2015 mindestens drei Eigenbemühungen pro Monat nachzuweisen. Dies sei an der unteren Grenze dessen, was dem Antragsteller abverlangt werden könne. Dass er zur Ermittlung von Stellenangeboten alle ihm zur Verfügung stehenden Medien zu nutzen habe, begegne ebenfalls keinen Bedenken. Auch dass die Eingliederungsvereinbarung nur solange ihre Gültigkeit behalte, solange der Antragsteller hilfebedürftig sei, sei nicht zu beanstanden. Denn entfalle die Hilfebedürftigkeit, etwa weil der Antragsteller eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehme, so bestehe auch keine Veranlassung mehr, ihn an den Pflichten festzuhalten. Die Rechtsfolgenbelehrung weise lediglich aus, welche Konsequenzen das Gesetz bei Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung vorsehe. Sollte es tatsächlich zu einer Sanktionierung wegen eines erfolgten Verstoßes kommen, so werde inzident geprüft, ob der Antragsteller einzelfallbezogen belehrt worden sei. Eine Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung könne auf der Grundlage einer gegebenenfalls zu weitgehenden Rechtsfolgenbelehrung nicht hergeleitet werden. Der Antragsteller habe...