Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer begründeten Anhörungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Eine nach § 178a Abs. 1 SGG zulässige Anhörungsrüge setzt voraus, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

2. Der Beteiligte soll Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Es gibt aber keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung leitenden Gesichtspunkte vorab mit den Beteiligten zu erörtern (BSG Urteil vom 4. 7. 2013, B 2 U 79/13 R).

 

Tenor

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Senats vom 02.03.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Senatsbeschluss vom 02.03.2021, mit der die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 06.05.2020 zurückgewiesen worden ist, hat keinen Erfolg.

1. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat in seiner regulären Besetzung. Die Regelung in § 178a SGG enthält schon keine - und damit auch keine abweichende - Bestimmung darüber, wer an der Anhörungsrüge mitzuwirken hat (vgl. Beschluss des Senats vom 25.06.2018 - L 21 R 291/18 RG). Grundsätzlich darf nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG richterlich nur handeln und entscheiden, wer nach dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts dafür zuständig ist. Das ist nach § 40 SGG in Verbindung mit § 33 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG der Senat durch die Vorsitzende Richterin oder den Vorsitzenden Richter und zwei Beisitzende (BVerfG vom 13.04.2017, 1 BvR 2496/16, juris Rn. 2; BSG vom 08.11.2006, B 2 U 5/06 C, juris Rn. 8; LSG NRW vom 25.11.2013, L 2 AS 1650/13 B ER RG, juris Rn. 1; a.A. zu Anhörungsrügen nach Entscheidungen nach § 155 Abs. 2-4 SGG: Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand 18.02.2021, § 178a Rn. 77 und 77.1). Sofern zur Entscheidung über eine Anhörungsrüge zu Entscheidungen nach § 155 Abs. 2-4 SGG auf den ansonsten konterkarierten Entlastungszweck verwiesen wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG 13. Aufl. 2020, § 155 Rn. 10), folgt hieraus keine andere Beurteilung. Dies gilt umso mehr, als dass der Berichterstatter vorliegend über die Beschwerde als Einzelrichter nach § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 8 S. 1 RVG deswegen entscheiden konnte, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatte. Hieraus ergibt sich somit eine originäre Zuständigkeit des Berichterstatters für die Entscheidung nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG, wodurch jedoch in erster Linie nicht auf einen damit ggf. auch einhergehenden Entlastungszweck abgezielt wird.

2. Die nach § 178a Abs. 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.

Nach § 178a Abs. 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn (1) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (2) das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 02.03.2021 war gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht mehr gegeben.

Der Senat hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör mit dem angegriffenen Beschluss vom 02.03.2021 nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, dass der Einzelne nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens ist, sondern er vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Worte kommen kann, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Der Einzelne soll Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll insbesondere verhindern, dass Beteiligte durch eine Entscheidung eines Gerichts überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BVerfG vom 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90, juris Rn. 7 m.w.N.; BSG vom 04.07.2013 - B 2 U 79/13 B, juris Rn. 5 m.w.N.). Auf neue, bisher nicht berücksichtigte Tatsachen, rechtliche Aspekte oder neue Beweismittel muss das Gericht die Beteiligten so rechtzeitig hinweisen, dass diese Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Dagegen gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung leitenden Gesichtspunkte vorab mit den Beteil...

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