Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Verrechnung von Forderungen der Krankenkasse mit Forderungen des Krankenhauses nach Landesvertragsrecht
Orientierungssatz
Kann nach einer Regelung im Rahmen eines Landesvertrags nach § 112 SGB 5 eine Verrechnung nur dann erfolgen, wenn die Abrechnung des Krankenhauses auf von diesem zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, so kommt diese Regelung nicht zur Anwendung, wenn das Krankenhaus die erbrachten Leistungen nicht vollständig angegeben hat (hier: Fehlen der Angabe des Grundes für die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30.06.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über Kosten für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten versicherte Frau N C (geb. am 00.00.1944) wurde in der Zeit vom 20.12.2011 bis 20.02.2012 im klägerischen Krankenhaus stationär behandelt. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten am 28.02.2012 80.083,53 EUR in Rechnung. Sie berechnete u.a. das Zusatzentgelt 84.07 (Gabe von Apharese-Thrombozytenkonzentraten).
Die Beklagte bezahlte den geforderten Betrag und leitete eine Überprüfung des Behandlungsfalles durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser gelangte am 21.05.2013 zu der Auffassung, dass die Abrechnung einschließlich der Zusatzentgelte korrekt sei.
Mit Schreiben vom 27.10.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.03.2015 - B 1 KR 2/15 R - nur in bestimmten Ausnahmefällen Apharese-Thrombozytenkonzentrate verabreicht werden könnten. Diese hätten aber im Falle der Versicherten C nicht vorgelegen. Das entsprechend abgerechnete und bezahlte Zusatzentgelt werde daher verrechnet. In einem Zahlungsavis vom 02.11.2015 verrechnete die Beklagte sodann einen Betrag in Höhe von 3.509,80 EUR mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin.
Die Klägerin hat am 06.01.2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Beklagte gegen das Aufrechnungsverbot nach § 15 Abs. 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrags nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verstoßen habe. Eine Beanstandung rechnerischer Art liege dem Rückforderungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühme, nicht zu Grunde, denn sie mache keinen Rechenfehler geltend, sondern bezweifele die Richtigkeit der Abrechnung der Behandlung, greife also die sachliche Berechtigung der Höhe der geforderten und gezahlten Vergütung an. Hinsichtlich solcher Beanstandungen sachlicher Art schließe der nordrhein-westfälische Landesvertrag eine Verrechnung aus. Im Übrigen stehe der Beklagten aus dem Behandlungsfall C kein Erstattungsanspruch zu. Der MDK habe in einem Schreiben vom 21.05.2013 erklärt, dass ihre Abrechnung vollständig korrekt gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.509,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf das Urteil des BSG vom 10.03.2015 - B 1 KR 2/15 R - hingewiesen. Die Verrechnung sei zulässig. Die Klägerin agiere zudem treuwidrig, da sie die Klage in Kenntnis der BSG-Rechtsprechung und ihres Schreibens vom 27.10.2015 erhoben habe. Sie hätte mit der Rechnungsstellung aufzeigen müssen, warum die Gabe von Apharese-Thrombozytenkonzentraten angezeigt gewesen sei. Ohne diese Angabe sei die Rechnung fehlerhaft. Aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung sei die Verrechnung in zulässiger Weise erfolgt.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Beklagte durch Urteil vom 30.06.2017 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Die dem Grunde nach unstreitigen Vergütungsansprüche, gegen die die Beklagte im Zahlungsavis vom 02.11.2015 aufgerechnet habe, seien nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte wirksam mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten N C analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärt habe. Denn die Aufrechnung sei gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages unzulässig. Eine Beanstandung rechnerischer Art liege dem Rückforderungsanspruch nicht zugrunde, denn die Beklagte mache keine Rechenfehler geltend, sondern vertrete die Auffassung, dass das Zusatzentgelt 84.07 (Gabe von Apharese-Thrombozytenkonzentraten) nicht habe kodiert werden dürfen. Sie greife damit die sachliche Berechtigung der Höhe der geforderten und gezahlten Vergütung an. Hinsichtlich solcher Beanstandungen sachlicher Art schließe § 15 Abs. 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages eine Verrechnung aus. Es handele sich auch nicht um eine Abrechnung, die "auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben" im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 2 des ...